Verbraucherkredite: Milliardenurteil gegen Banken

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In Deutschland hat das Höchstgericht entschieden, dass die Banken keine Bearbeitungsgebühren verrechnen dürfen. Nun droht auch in Österreich eine Klagswelle.

Wien. In Deutschland jubeln tausende Bankkunden. Denn der Bundesgerichtshof hat in einem Musterverfahren entschieden, dass die Institute bei Verbraucherkrediten keine Bearbeitungsgebühr verrechnen dürfen. Kunden können nun bereits bezahlte Spesen zurückverlangen. Laut Berechnungen der Stiftung Warentest geht es hier um ein Volumen von bis zu 13 Milliarden Euro. Umstritten ist allerdings, wann die Verjährung einsetzt.

In Österreich ist die Ausgangslage ähnlich wie in Deutschland. Auch in Österreich verrechnen die Banken je nach Bonität und Verhandlungsgeschick eine Bearbeitungsgebühr zwischen 0,5 Prozent und drei Prozent, manchmal sogar noch mehr. Allerdings liegt in Österreich dazu noch kein Urteil vor, weil niemand geklagt hat. Das dürfte sich nun ändern.

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) wird die Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofs zum Anlass nehmen, um die Rechtslage für Österreich zu prüfen und unter Umständen „im Wege einer Verbandsklage“ zu klären, kündigte Peter Kolba, Leiter der Rechtsabteilung des VKI, im „Presse“-Gespräch an.

Sowohl in Deutschland als auch in Österreich gelten die Verbraucherrichtlinien der Europäischen Union. Es wäre zwar möglich, dass in Österreich die Richter zu einem anderen Urteil kommen als in Deutschland. Doch dann würde sich die Frage stellen, was EU-Vorgaben noch wert sind, wenn sie in jedem Land in entscheidenden Fragen anders ausgelegt werden.

„Tsunami an Revisionen“

In Deutschland klagten bereits tausende Kreditnehmer und forderten die Bearbeitungsgebühren zurück. Viele Amts- und Landgerichte verurteilten die Banken. Doch die Institute schalteten auf stur und verlangten weiterhin Gebühren. Daher wandten sich die Kreditnehmer in vielen Fällen an das Höchstgericht. „Über uns ist ein Tsunami an Revisionen hereingebrochen“, sagte Ulrich Wiechers, Richter am Bundesgerichtshof. So etwas habe er in den vergangenen 20 Jahren nicht erlebt. Die Banken behaupten, dass die Bearbeitungsgebühr notwendig ist, weil es bei der Kreditvergabe einen Beratungsaufwand gibt. Zudem muss die Bonität der Kunden überprüft werden. Trotzdem erklärte nun der deutsche Bundesgerichtshof, dass die Banken neben den Zinsen nicht auch noch eine Bearbeitungsgebühr einheben dürfen. Denn hier liege eine unangemessene Benachteiligung der Kunden vor.

Das Urteil betrifft alle Verbraucherkredite. Es ist egal, ob damit der Kauf eines Autos, eines Fernsehers oder eines Schlafzimmers finanziert wird. Nicht wenige dieser Darlehen werden vorzeitig getilgt. Dieser Punkt ist entscheidend, um das Urteil der deutschen Richter zu verstehen. Eine Bank ist natürlich interessiert, dass der Kunde die gesamte Bearbeitungsgebühr gleich zu Vertragsbeginn bezahlt.

Damit werden nach Ansicht der Richter aber Kreditnehmer, die das Darlehen vorzeitig tilgen, unzulässig benachteiligt. Denn bei einer vorzeitigen Rückzahlung erspart sich der Kunde zwar die Zinsen für die restliche Laufzeit, die Bearbeitungsgebühr wird aber nicht anteilig refundiert.

Nach dem Urteil dürften Verbraucherkredite aber nicht billiger werden. Denn die Richter halten ausdrücklich fest, dass es den Banken „völlig unbenommen“ sei, „die Bearbeitungskosten in den Zins einzupreisen“. Es ist daher zu erwarten, dass die deutschen Banken zwar nun die Spesen abschaffen, aber im Gegenzug die Kreditzinsen anheben werden.

Hinter vorgehaltener Hand kritisieren Bankenvertreter den Richterspruch. Denn ihrer Ansicht nach fällt der Großteil der Bearbeitungskosten zu Vertragsbeginn an. In Österreich rät Arbeiterkammer-Experte Christian Prantner den Bankkunden bis zur Klärung der Rechtsfrage, über die Höhe der Bearbeitungsgebühr zu verhandeln.

AUF EINEN BLICK

In Deutschland sorgt eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs für Aufsehen. Denn darin wird klargestellt, dass Banken bei Verbraucherkrediten keine Bearbeitungsgebühr verlangen dürfen. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) will nun die Rechtslage für Österreich klären und unter Umständen eine Musterklage einbringen. Auch in Österreich verrechnen die Banken je nach Bonität und Verhandlungsgeschick eine Bearbeitungsgebühr zwischen

0,5 Prozent und drei Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2014)

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