Siemens-Boss Kaeser baut radikal um

Joe Kaeser Siemens DEU Deutschland Germany Berlin 07 05 2014 Joe Kaeser Vorstandsvorsitzender
Joe Kaeser Siemens DEU Deutschland Germany Berlin 07 05 2014 Joe Kaeser Vorstandsvorsitzenderimago/IPON
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Effizienz. Der Neuausrichtung des deutschen Elektronikkonzerns fallen weitere 11.600 Stellen zum Opfer. Österreich könnte mit einem blauen Auge davonkommen.

München/Wien. Als Siemens-Chef Joe Kaeser Anfang Mai den radikalsten Konzernumbau seit vielen Jahren ankündigte, durch den der Elektronikriese schlanker und effizienter werden soll, fürchteten Gewerkschaft und Betriebsrat einen weiteren großen Personalabbau. Ihre Angst, die auf langjähriger Erfahrung beruht - auch Kaesers Vorgänger Peter Löscher hatte schon zehntausende Arbeitsplätze gestrichen -, war begründet: Die Neuausrichtung werde 11.600 Stellen betreffen, sagte Kaeser auf einer Investorenkonferenz in New York.
Die Beschwichtigung fiel im Konzern eher vage aus: „Stellenabbau in einem Bereich muss nicht zwangsläufig Jobverlust bedeuten", erklärte ein Sprecher am Freitag.  Kaeser reagierte in einem Brief an die Mitarbeiter. Er sei fehlinterpretiert worden. Er habe lediglich gesagt, wieviele Stellen von den Veränderungen betroffen seien.

Kaeser hatte schon vor den Analysten bekräftigt, Siemens wolle den Mitarbeitern andere Chancen innerhalb des Unternehmens bieten. „Wir sparen, wir nehmen Arbeit heraus, wir verteilen unsere Ressourcen neu", sagte er.

Die IG Metall reagierte auf Kaesers Pläne zurückhaltend. „Die Zahl, die jetzt aufgeschlüsselt wurde, ist mit uns nicht besprochen worden", sagte eine Sprecherin. „Wir warten die Gespräche ab." In einem Abkommen mit den Arbeitnehmervertretern hatte Siemens schon vor einigen Jahren betriebsbedingte Kündigungen in Deutschland für einen unbefristeten Zeitraum ausgeschlossen.

Sektoren sind Geschichte

Kaeser, der im Sommer 2013 dem vorzeitig abgelösten Löscher an der Siemens-Spitze nachfolgte, nimmt die Strukturreformen seines Vorgängers zurück: Er schafft die vier Großsektoren Industrie, Energietechnik, Medizintechnik und Infrastruktur & Städte ebenso ab wie die derzeitige Regionalorganisation. Ab Herbst soll der Konzern mit derzeit 360.000 Beschäftigten, davon 100.000 in Deutschland, neun operative Einheiten bekommen. Der Schwerpunkt des Geschäfts soll stärker auf Energieerzeugungstechnik und Industrieausrüstung liegen. Die Medizintechnik rückt eher in den Hintergrund und soll verselbstständigt werden.

Bis 2016 will Kaeser auf diese Weise rund eine Mrd. Euro einsparen. Das noch von Löscher aufgesetzte Sparprogramm, das 6,3 Mrd. Euro bringen soll, läuft noch bis Ende dieses Geschäftsjahres (September), und sieht den Abbau von 15.000 Jobs vor, davon 5000 in Deutschland.

Siemens Österreich mit rund 8300 Beschäftigten (12.500 sind es im Osteuropa-Cluster) ist von den Umbauplänen auch betroffen. Inwieweit allerdings Arbeitsplätze verloren gehen werden, sei noch offen, sagte Konzernsprecher Walter Sattlberger am Freitag zur „Presse". „Wir haben schon in den vergangenen Jahren Rationalisierungen durchgezogen und unsere Hausaufgaben gemacht." Im Vorjahr wurden rund 100 Stellen gestrichen. Im Frühjahr wurde die Siemens VAI an Mitsubishi verkauft. Eine Ausgliederung bzw. Verselbstständigung der Medizintechniksparte würde Österreich sehr wohl tangieren.

Alstom nicht berücksichtigt

Die Möglichkeit, dass sich Siemens im laufenden Bieterrennen gegen General Electric um die französische Alstom durchsetzen könnte, ist in den Rationalisierungsplänen noch nicht einbezogen. Die Arbeitnehmervertreter fürchten für diesen Fall weitere Einschnitte, wenn Siemens seine Zugsparte im Rahmen eines Deals wie vorgeschlagen an die Franzosen abgäbe. Was sie besonders ärgert: Kaeser hatte für die Alstom-Arbeitsplätze, die zu Siemens wandern würden, eine dreijährige Bestandsgarantie abgegeben. Das Siemens-Offert wird für 16. Juni erwartet. GE hat 17 Mrd. Euro geboten. (Reuters/eid)

("Die Presse", Printausgabe vom 31.5.2014)

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