Mehr Schadenersatz: EuGH streng gegen Kartelle

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Wer zu teuer einkaufen muss, weil ein Kartell die Preise auch bei Mitbewerbern treibt, kann die Kartellanten belangen.

Wien/Luxemburg. Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) erweitert den Schadenersatz im Kartellrecht: Nach einem am Donnerstag veröffentlichten Urteil zu einem österreichischen Fall (C-557/12 – Kone AG u. a.) können Kartellmitglieder auch für solche Schäden haftbar gemacht werden, die Kartellaußenseiter herbeigeführt haben. Die ÖBB-Infrastruktur AG, die das Verfahren in Österreich betrieben hat, kann nun auf Ersatzzahlungen hoffen, die nach österreichischem Recht bisher nicht vorgesehen waren. Der Oberste Gerichtshof (OGH) in Wien muss jetzt noch klären, welche Schäden genau zu ersetzen sind.

Beklagt sind die Beteiligten des sogenannten Lift- oder Aufzugskartells: Kone, Otis, Schindler, ThyssenKrupp. Die Hersteller von Aufzügen und Rolltreppen haben 1995 bis 2004 Preisabsprachen getroffen, die sich über mehrere EU-Länder erstreckt haben. In der mit Spannung erwarteten Entscheidung geht es um das Phänomen „Preisschirmeffekt“ oder, auf Englisch, „Umbrella Pricing“. Ihm liegt die Beobachtung zugrunde, dass Unternehmen, die selbst nicht an einem Kartell beteiligt sind, gleichsam unter dem Schirm des Kartells höhere Preise erzielen: Dank der tendenziell preissteigernden Absprachen der Kartellanten verlangen sie, wissentlich oder unwissentlich, mehr, als sie unter sauberen Wettbewerbsbedingungen verlangen könnten. Die am Liftkartell beteiligten Unternehmen wurden bereits auf EU-Ebene und in Österreich zu Bußgeldern verurteilt; nun aber sehen sie sich auch Klagen zahlreicher geschädigter Abnehmer in Millionenhöhe gegenüber.

ÖBB-Infrastruktur klagte

So klagten die ÖBB, dass sie bei Kartellaußenseitern überhöhte Preise für Aufzüge gezahlt hätten. Sie verlangten von den vier am Kartell beteiligten Unternehmen Schadenersatz. Der OGH sah dafür nach heimischem Recht keine Möglichkeit; er war sich aber nicht sicher, ob dies EU-konform ist, und fragte deshalb beim EuGH nach.

Der EuGH folgte den Schlussanträgen von Generalanwältin Juliane Kokott. Sie hielt einen generellen Ausschluss einer Haftung von Kartellanten für Preisschirmeffekte für unzulässig. Diese Effekte seien für die Beteiligten eines Kartells nicht unvorhersehbar, ihre Wiedergutmachung entspreche den Zielen des EU-Kartellverbots. Es würde der Wirksamkeit der Wettbewerbsregeln widersprechen, wollte man den Ersatz solcher Schäden im Rahmen des nationalen Zivilrechts ausschließen.

Anwalt Alexander Egger (Lansky, Ganzger + Partner) spricht von einem Meilenstein im Rechtsschutz: Private Enforcement im Kartellrecht werde dadurch deutlich erweitert. Der EuGH stelle klar, dass der kategorische Ausschluss des Ersatzes für Umbrella-Schäden mit dem Kartellverbot unvereinbar ist. Der Ausgang dieses Verfahrens habe nicht nur Auswirkungen auf etliche laufende Schadenersatzprozesse gegen die Liftkartellanten. Das Urteil habe EU-weite Bedeutung für die Rechtsfolgen von Kartellen überhaupt.

Freilich: Es muss immer im Einzelfall geprüft werden, ob kartellbedingt Preisschirmeffekte aufgetreten sind. Einen solchen Schaden zu erheben ist schwierig. Theoretisch könnten sogar Private den Ersatz von Umbrella-Schäden verlangen. Sie stehen aber vor einem hohen Prozesskostenrisiko.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2014)

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