Fracking: Rauch und Schall

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Das Schiefergas macht Barack Obamas Emissionsziele für Amerikas Energieindustrie leicht erreichbar. Doch in etlichen Bundesstaaten steigt der Widerstand gegen das Fracking.

Die Retourkutsche ans Weiße Haus war zu erwarten: Am Freitag unterzeichnete John Kasich, der republikanische Gouverneur des US-Gliedstaates Ohio, ein Gesetz, mit dem die Förderung nachhaltiger Energieformen vorerst für zwei Jahre beendet ist. Die Elektrizitätsunternehmen in Ohio müssen fortan nicht mehr einen Teil ihres Stromes aus Wind- und Sonnenkraft gewinnen. Ein großes Opfer brachten die Konzerne damit allerdings nicht: Schon jetzt hat der Industriestaat nur zwei Prozent seines gesamten produzierten elektrischen Stromes aus Alternativen zu fossilen Brennstoffen gewonnen. Zwei Drittel des Stromes in Ohio kommen laut Statistik des US-Energieministeriums aus Kohlekraftwerken.

Gouverneur Kasich hat damit einen Vorgeschmack auf die Reaktion der republikanisch regierten Bundesstaaten auf eine vorige Woche erlassene, viel beachtete Verordnung des US-Umweltamtes gegeben. Bis zum Jahr 2030 soll die Energiewirtschaft laut dieser Vorschrift ihren Ausstoß von Treibhausgasen – allen voran Kohlendioxid – um 30 Prozent senken. „Eine Wirtschaft mit sauberer Energie kann die Wachstumsmaschine für künftige Jahrzehnte werden“, frohlockte Präsident Barack Obama. „Amerika wird diese Maschine bauen. Amerika wird die Zukunft bauen. Eine Zukunft, die sauberer, wohlhabender und voller guter Arbeitsplätze ist.“

Das klingt recht ambitioniert, und in der Tat sind die USA in Sachen Klimaschutz wesentlich weiter vorangeschritten, als es das europäische Klischee vom rücksichtslosen Verschwender-Ami glauben lässt. Die Bürgermeister von mehr als 1000 amerikanischen Städten haben Programme zur Senkung der Treibhausgasemissionen in Angriff genommen. Kalifornien hat seit Anfang 2013 ein Handelssystem für Emissionszertifikate, das jenem der Europäischen Union ähnelt. Zehn Staaten an der Ostküste, von Main südwärts bis Maryland, verknappen die CO2-Emissionen ihrer Energiekonzerne mit einem ähnlichen Handelssystem jährlich bis 2020 um 2,5 Prozent.

Vorgabe schon halb erfüllt.
Sind Obamas neue Vorschriften ein Meilenstein für Amerikas Klimaschutzpolitik? Die Zahlen lassen dies nicht erwarten. Das Ziel, die Emissionen bis zum Jahr 2030 um 30 Prozent unter den Wert des Jahres 2005 zu drücken, ist bereits zur Hälfte erreicht – bevor noch ein Kohlekraftwerk zugesperrt oder ein Windrad aufgestellt ist. Das liegt daran, dass das Weiße Haus den Ausgangspunkt für diese Berechnungen auf das Jahr 2005 gelegt hat. Damals herrschte in den USA Hochkonjunktur und damit hoher Energieverbrauch. Das macht das Reduzieren leicht, vor allem, wenn eine Rezession viele Fabriken stilllegt, wie das ab Ende 2008 geschah. Wenn man noch in die Rechnung einbezieht, dass der Erfolg der Schiefergastechnologie den USA enorm billiges Erdgas verschafft hat, das nach und nach die Kohle in der Energieproduktion ersetzt, erklärt sich das auf den ersten Blick erstaunliche Ergebnis. In Zahlen: 2005 stießen Amerikas Energieerzeuger rund 2402 Millionen Tonnen Kohlendioxid aus. Sieben Jahre – und eine Rezession sowie einen Schiefergasboom später – waren es nur mehr 2023 Millionen Tonnen. Diese Reduktion von 379 Millionen Tonnen macht rund 53 Prozent des Einsparungszieles von 721 Millionen Tonnen aus, das Präsident Obama vorgegeben hat.

Dieser Trend wird sich fortsetzen, denn zahlreiche amerikanische Kohlekraftwerke sind so alt, dass sie demnächst ohnehin geschlossen oder auf Gasverbrennung umgestellt werden. Ihr Durchschnittsalter ist 42 Jahre, manche Werke sind sogar seit den 1940er-Jahren ununterbrochen in Betrieb, wie die „Washington Post“ am Samstag in einer Analyse festhielt.

Je reicher, desto widerwiliger
. Der zweite Teil der energiepolitischen Gleichung – nämlich der Schiefergasboom – stößt allerdings zunehmend auf Widerstand. Immer mehr Gemeinden erlassen Verbote gegen Fracking, also die mit hässlichen Maschinen und Lärm verbundene Erschließung neuer Schiefergasquellen. In Texas, North Dakota, Kalifornien, Pennsylvania, Louisiana und Colorado fechten Kommunen zusehends erfolgreich gegen die Energieindustrie. Mehrfach haben Höchstgerichte der Bundesstaaten das Recht der Kommunen bekräftigt, selbst darüber zu entscheiden, ob und unter welchen Bedingungen auf ihrem Grund und Boden gebohrt werden darf.

Allerdings hängt der Widerstand davon ab, ob man sich Umwelt- und Landschaftsschutz leisten kann. Das „Wall Street Journal“ zitierte unlängst die Dissertation des Princeton-Doktoranden Matthew Barnes, derzufolge Gemeinden umso eher dazu bereit sind, gegen ein Fracking-Projekt vorzugehen, je reicher sie sind.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.06.2014)

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