Tiramizoo-Gründer: "Wer ein Gründer sein will, sollte das Studium abbrechen"

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Woman presenting a parcelErwin Wodicka - BilderBox.com
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Das deutsche Start-up Tiramizoo hat sich auf die schnelle Zustellung von Waren spezialisiert. Gründer Michael Löhr findet, je früher man gründet, desto besser.

Wann wussten Sie, dass Sie Unternehmer werden wollen?

Michael Löhr: Ich bin in einem Handwerksbetrieb aufgewachsen, Tante, Onkel, Verwandte waren eigentlich alle kleine Unternehmer, hatten Metzgereien, Gastwirtschaften. Das Gründen hat mich schon immer sehr interessiert, ich habe dann aber trotzdem fälschlicherweise Maschinenbau studiert und bin in der Forschung und Entwicklung gelandet, in der Fahrzeugindustrie. Ich bin froh, dass ich das erleben durfte. Es hat aber immer in mir gebrodelt, ich habe eigentlich schon immer gewusst, dass ich gerne verkaufe und auch gerne etwas Neues versuche. Ich habe mich aber erst nach zehn Jahren Privatwirtschaft getraut, mich selbstständig zu machen.

Würden Sie sagen, dass Gründer zu jung und unerfahren sind, wenn sie direkt nach der Uni oder Lehre ein Start-up gründen?

Nein überhaupt nicht. Ich würde jedem empfehlen, wenn er wirklich weiß, dass er Gründer sein möchte, dass er sogar das Studium abbricht. Ich glaube, Ausbildung wird total überbewertet. Wenn jemand wirklich Unternehmer werden will, warum soll er sich dann durch ein Studium quälen? Wenn man mit 18 anfängt, kann man mit 28 Jahren schon zehn Jahre Erfahrung als Gründer haben. Und das kann einem niemand mehr wegnehmen.


Wie kam Ihnen die Idee zu Tiramizoo?

Da gab es ein Schlüsselerlebnis. Ich habe 2005/2006 in Vancouver gelebt, und bin als Hobby am Wochenende Fahrradrennen gefahren. Einmal war ich am Wochenende gebucht für ein Rennen und habe am Mittwochabend dringend einen Ersatzteil gebraucht, hatte aber null Zeit, den zu besorgen. Ein Händler, der eineinhalb Auto-Stunden von mir entfernt war, war am Telefon geistesgegenwärtig und hat gesagt, gib mir deine Kreditkartennummer, und ich schicke es dir, das kostet dich zehn Dollar extra und ist in zwei Stunden da. Und ich dachte: Wow, ich habe lokal eingekauft, einen super Deal gemacht, Zeit gespart, warum machen das nicht mehr Leute? Das hat mich nicht mehr losgelassen.

Was war bisher Ihre klügste Entscheidung?

Dass ich mir am Anfang einen Mentor gesucht habe, der selbst sehr erfolgreich einige Internet-Unternehmen gegründet hat. Das hat zu Kontakten geführt, ohne die es nicht geklappt hätte.

Und was war Ihr größter Fehler?

Ich habe an einem Punkt den falschen Investor gewählt.

Was war falsch daran?

Alles. Man muss täglich mit einem Investor zusammenarbeiten, wenn man ein junges Unternehmen ist, man muss ein Produkt entwickeln, ein Team aufbauen, einen Markt erobern. Wenn da die Chemie nicht stimmt, dann lenkt das mehr ab als alles andere. Da hilft es nichts, wenn der Deal auf dem Papier gut ausschaut, man aber dann merkt, dass die Kultur nicht zusammenpasst. Deshalb sollte man genau schauen, mit wem man sich ins Bett legt.

Gab es Phasen, in denen Sie schlaflose Nächte hatten?

Ja, doch, natürlich. Ich habe 2009 meinen festen Job gekündigt. Wir haben dann 2010 gegründet und sind erst 2012 mit dem ersten Onlineshop live gegangen. Bis zum Einstieg der Daimler-AG 2013 gab es jede Woche sechs Tage Bangen und einen Tag Hoffnung.

Wie viele Stunden haben Sie am Anfang gearbeitet?

Also ich will nicht übertreiben, aber das war quasi rund um die Uhr. Bis zur letzten Finanzierung im April 2013 gab es nur Weihnachten zwei Tage Urlaub, und der Rest war ständig arbeiten, sicher 60 bis 70 Stunden die Woche.

Und heute?

Nachdem wir einen Investor gefunden und auch mit dem Produkt viele Fortschritte gemacht haben, sind wir zwar immer noch ein Start-up, aber wir fühlen uns jetzt schon eher an wie eine normale Firma. Es gibt Prozesse, es gibt ein klares Produkt, es gibt viel weniger Unsicherheit. Das bedeutet auch, dass man etwas mehr Zeit hat, um sich zu regenerieren. Es ist normaler geworden und macht jetzt auch richtig Spaß. Die Existenzangst ist komplett weg.

Tiramizoo

Same day delivery.Tiramizoo ist ein Zustelldienst, der sich auf das taggleiche Liefern in deutschen Ballungszentren konzentriert hat, hauptsächlich zwischen Händlern und Privatkunden. Eine Lieferung kostet zwischen fünf und 15 Euro. Zugestellt werden kann in 90 Minuten. Derzeit wird über Lösungen für den ländlichen Raum und eine Expansion ins Ausland nachgedacht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2014)

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