Konjunktur: Der Westen kommt in Schwung

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In den USA fällt die Zahl der Arbeitslosen überraschend, und die EZB bereitet ihre nächsten Geldspritzen vor. Sie will bis zu eine Billion Euro in den Markt pumpen.

Wien/New York/Frankfurt. Jubel an der Wall Street: Die US-Arbeitslosenquote ist im Juni überraschend gefallen: auf 6,1 Prozent. Damit ist die Zahl der Arbeitslosen in den USA so niedrig wie seit September 2008 nicht mehr. Die Arbeitslosenquote lag zuletzt bei 6,3 Prozent – und die meisten Analysten sind davon ausgegangen, dass diese Quote unverändert bleibt.

Insgesamt sind im vergangenen Monat 288.000 neue Jobs (außerhalb der Landwirtschaft) in den Vereinigten Staaten geschaffen worden – mehr als erwartet. Zum ersten Mal seit dem Internetboom Ende der 1990er sind zum fünften Mal in Folge mehr als 200.000 neue Jobs geschaffen worden. Dazu kommen jüngst veröffentlichte positive Absatzzahlen auf dem Automarkt. Gleichzeitig ist das (ohnehin beispiellose) US-Handelsbilanzdefizit im Mai auf 44,4 Milliarden Dollar gefallen – von 47 Milliarden im April.
Alles gute Nachrichten für eine sich offenbar langsam erholende US–Wirtschaft, die auch den Aufschwung im Westen generell vorantreibt. Kritiker merken freilich an, dass der Aufschwung von extrem billigem Zentralbankgeld getragen wird – ähnlich wie vor dem Platzen der Dotcom-Bubble Ende der 1990er-Jahre. Mit einem Unterschied: So niedrig wie heute waren die Zinsen auch damals nicht. Der Leitzins der US-Notenbank Federal Reserve liegt schon seit Jahren praktisch bei null.

Schweden senkt die Zinsen

In Europa versucht man es den USA jetzt aber trotzdem nachzumachen. So hat die Schwedische Zentralbank am Donnerstag auch ihren Leitzins überraschend gekappt: von 0,75 auf 0,25 Prozent. Vor 2015 soll es auch nicht zu einer Zinserholung kommen. Analysten sehen die Zinssenkung als Eingeständnis, dass der Zentralbank die schwedische Erholung nach der Krise zu langsam geht. Die Europäische Zentralbank (EZB) blieb ihrerseits am Donnerstag untätig – sie hatte den Leitzins schon in ihrer letzten Sitzung auf ein Rekordtief von 0,15 Prozent gesenkt. Dazu kamen negative Einlagezinsen für Banken, die Geld bei der EZB bunkern, statt es als Kredit in die Wirtschaft zu vergeben. Das könnte den Konsum in Europa indirekt ankurbeln, denn Sparbücher werden deswegen immer unrentabler. So sind die Zinsen auf deutschen Sparkonten zuletzt um fast acht Prozent gesunken – binnen eines Monats – und zwar auf durchschnittlich 0,58 Prozent pro Jahr. Das ergeben aktuelle Daten von Tagesgeldvergleich.net. Paradoxerweise ist es aber bisher nicht zu Abflüssen aus den Konten gekommen – die Gesamtsumme an Einlagen steigt hingegen weiter.

EZB-Chef Mario Draghi zeigte sich nach der Zinssitzung am Donnerstag trotzdem zufrieden: „Das Bündel geldpolitischer Maßnahmen, das wir vergangenen Monat beschlossen haben, hat zu einer weiteren Lockerung unserer Geldpolitik geführt“, so der Italiener an der Spitze der Euro-Notenbank. Eine Deflationsgefahr sieht er weiterhin nicht. Die EZB mache alles richtig, so Draghi: „Mittel- bis langfristig bleiben die Inflationserwartungen in der Eurozone fest verankert und im Einklang mit unserem Ziel einer Inflationsrate unter, aber nahe zwei Prozent.“ Wie in anderen Ländern werden die EZB-Zinssätze „für eine längere Zeit auf dem jetzigen Niveau liegen“. Selbst weitere Lockerungsmaßnahmen wollte Mario Draghi am Donnerstag nicht ausschließen.

Eine Billion an Geldspritzen?

„Der EZB-Rat steht außerdem geschlossen hinter seiner Zusicherung, falls notwendig auch unkonventionelle Maßnahmen zu ergreifen, um die Risken einer zu langen Periode mit niedriger Inflation anzugehen“, sagte Notenbank-Chef Draghi.

Schon im Juni hatte Draghi angekündigt, Maßnahmen zur Liquiditätsversorgung der Banken ergreifen zu wollen. Insgesamt könnte die EZB über mehrere Geldspritzen rund eine Billion Euro in den europäischen Bankensektor pumpen, so Draghi. Die ersten zwei Spritzen will die EZB den Märkten im September und Dezember verabreichen.
Zwei große Änderungen wird es bei der EZB ab Jänner 2015 aber geben. Einerseits wird man den Rhythmus für Zinssitzungen von vier- auf sechswöchig umstellen. Außerdem will die EZB regelmäßig Protokolle der geldpolitischen Sitzungen veröffentlichen und so die Transparenz erhöhen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2014)

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