Europas Luftfahrt: Überreguliert und abgeschottet

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Der Chef des Weltluftfahrtverbandes IATA, Tony Tyler, weiß, warum es Europas Fluglinien schlecht geht. Nicht die Konkurrenz aus dem Nahen Osten gefährde die Branche, sondern zu hohe Steuern, Protektionismus und kontraproduktive Regulierungen.

Wien. Das Airline-Triumvirat Emirates, Qatar Airways und Etihad sei die größte Konkurrenz für Europas Fluglinien und drohe sie in den Bankrott zu stürzen: Die Chefs von Air Berlin bis Swiss nützen jede Gelegenheit, um mit drastischen Worten vor der Gefahr aus dem Morgenland zu warnen. Tatsächlich komme die Bedrohung von innen, lautet indes der Befund von Tony Tyler, dem Generaldirektor des Weltluftfahrtverbandes IATA. „Europas Luftfahrt wird von Protektionismus und Überregulierung behindert“, sagte Tyler am Freitag bei der Europäischen Zivilluftfahrt-Konferenz in Wien.

Beispiele für seine Behauptung hat Tyler mehr als genug: Allein die Steuern und Abgaben würden in Europa mit rund 40 Mrd. Dollar heuer ein Niveau erreichen, das doppelt so hoch wie in Asien sei. Noch mehr falle jedoch die Überregulierung ins Gewicht: Das betreffe die Flughäfen gleichermaßen wie die Luftraumkontrolle. Vor allem bei Letzterer fehle es in Europa an Reformwillen. „Seit mehr als zehn Jahren wird über den einheitlichen europäischen Luftraum (Single European Sky, SES, Anm.) gesprochen. Es geht aber nichts weiter – das ist frustrierend“, sagte Tyler. Die Zersplitterung in 60 Kontrollzonen und nationale Überwachungssysteme koste die Luftfahrt jährlich Milliarden an Treibstoff, verursache Verspätungen und Umweltschäden. „Regulierung ist nur gut, wenn sie Probleme löst, nicht welche schafft“, betonte der IATA-Boss.

Konsolidierung behindert

Der Protektionismus wiederum behindere nicht nur den SES, sondern auch die Marktkonsolidierung. Zwischen 2000 und 2010 – einer der schwierigsten Perioden für die Luftfahrt – seien in Europa nicht einmal ein Prozent der Fluglinien insolvent geworden.

In welch ernstem Zustand sich Europas Luftfahrt befindet, unterstreicht die jüngste IATA-Prognose vom Juni: Sie geht für 2014, dem hundertsten der Zivilluftfahrt, von einem Gewinn von 18 Mrd. Dollar für alle Fluglinien aus. Zu Jahresbeginn war noch von 19,7 Mrd. Dollar die Rede. Allein auf die nordamerikanischen Fluglinien entfällt mit 9,2 Mrd. Dollar die Hälfte des prognostizierten Profits, während sich die europäischen Gesellschaften mit 2,8 Mrd. Dollar begnügen müssen. Noch drastischer fällt ein anderer Vergleich aus: Nordamerikanische Airlines verdienen 11,09 Dollar pro Passagier, europäische nur 3,23 Dollar.

Das Gegenrezept hatten bei der Konferenz just die Vertreter von zwei „Störenfrieden“ parat: „Wir haben Turkish Airlines privatisiert, den Markt liberalisiert und die Steuern reduziert – die Zahl der Passagiere hat sich binnen zehn Jahren verfünffacht“, sagte Turkish-Chef Temel Kotil. Und in Bezug auf die Überregulierung meinte Kotil, dass ein Flugdrehkreuz international nur wettbewerbsfähig sein könne, wenn es 24 Stunden in Betrieb sei.

Etihad-Boss James Hogan wiederum forderte Europas Regierungen auf, die Airlines für Auslandsinvestitionen zu öffnen. Investitionen von außen seien keine Bedrohung, sondern böten die Chance, Airlines zu stärken, die Beschäftigung zu sichern und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Etihad hat Air Berlin und nun Alitalia vor dem Bankrott gerettet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2014)

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