Staatsschulden: "Länder müssen an die kurze Leine"

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Der Fiskalrat verlangt strenge Spekulationsverbote und die vorübergehende budgetäre Entmündigung von Pleitebundesländern. Die Budgetkonsolidierung lahmt.

Wien. Die jüngste Welle von Geldverbrennungsaktionen in den Bundesländern – von der Kärntner Hypo bis zum Salzburger Spekulationsskandal – treibt nun offenbar den sozialpartnerschaftlich zusammengesetzten Fiskalrat (früher Staatsschuldenausschuss) auf die Barrikaden: In seinen „Empfehlungen an die Budgetpolitik 2014“, die Fiskalrats-Präsident Bernhard Felderer gestern in Wien präsentierte, verlangt das Gremium eine umfassende Föderalismusreform, deren Kernpunkt die vorübergehende finanzielle Entmündigung von Bundesländern im Falle deren drohender Zahlungsunfähigkeit ist.

Scharfes Spekulationsverbot

Konkret verlangt das Regierungs-Beratungsgremium eine Verschärfung des Spekulationsverbots, umfassende Berichtspflichten und einheitliche Buchungsvorgaben. Wie berichtet, weigern sich die Länder immer noch, einheitliche „Bilanzen“ zu erstellen, weshalb es noch immer keinen wirklich seriösen Überblick über die Länderfinanzen insgesamt gibt. Der Finanzminister, der einheitliche Rechnungslegung einfach verordnen könnte, traut sich diesen Kraftakt offenbar nicht zu.

Noch stärker ist die Forderung nach strikten Haftungsobergrenzen für die Länder und verfassungsrechtlich festgelegten Verfahrensregeln bei drohender Zahlungsunfähigkeit. Solche hätten beispielsweise im Fall der Kärntner Hypo dem Steuerzahler viel Geld erspart, weil man die Bank ohne Rücksicht auf die Kärntner Haftungen in den Konkurs hätte schicken können. Felderer präzisierte, dass nach den Vorstellungen des Fiskalrats – wie in Deutschland – Staatskommissare die Länderfinanzen übernehmen sollten, wenn sich ein Bundesland finanziell übernimmt. Der Regierung solle damit die Möglichkeit geboten werden, einem Bundesland bei drohender Pleite bis zur Sanierung die Budgethoheit zu entziehen.

In Kärnten, so Felderer, sei die drohende Zahlungsunfähigkeit schon lange erkennbar gewesen. Ein Regierungskommissär hätte das Desaster abmildern können. Worte, die übrigens den Kärntner Landeshauptmann Kaiser, der derzeit der Landeshauptleutekonferenz vorsteht, auf die Palme brachten: Das sei „rufschädigend“, ließ Kaiser wissen, der naturgemäß auch von Budgetkommissaren nichts hält.

Für Felderer muss die Reform der Länderfinanzen aber über diese unmittelbaren Katastrophen-Präventionsmaßnahmen hinausgehen. Für wesentlich hält der Fiskalrat etwa auch eine „Zusammenführung der Aufgaben-, Ausgaben- und Einnahmenverantwortung“. Soll heißen, die teure Praxis, dass sich der Bund um die Einnahmen und die Länder um die Ausgaben kümmern, sollte beendet werden. Über derartige Maßnahmen wird in der Öffentlichkeit schon länger diskutiert, in den Empfehlungen der „Staatsschuldenwächter“ ist das bisher aber nicht so konkret zum Ausdruck gekommen.

Die eigentliche Aufgabe des Fiskalrats, nämlich das Monitoring der Staatsfinanzen, ergab durchwachsene Ergebnisse. Zwar konstatierte Felderer, dass die Staatsschulden in der Krise weniger stark gestiegen seien als im EU-Schnitt und dass der Regierung im Vorjahr eine deutliche Verringerung des maastrichtrelevanten Defizits auf 1,5Prozent gelungen sei. Gleichzeitig stellte Felderer aber fest, dass die gesamte Verringerung des Defizits auf zwei einmalige Effekte (die Erlöse aus der Versteigerung von Handyfrequenzen und die erstmalige Zahlung der Schweiz aus dem neuen Steuerabkommen) zustande gekommen seien.

Die strukturelle Budgetsituation hat sich also nicht verbessert, denn mit diesen Effekten könne die Regierung jetzt ja nicht mehr rechnen. Die Wirkung der temporären Maßnahmen insgesamt beziffert der Fiskalrat mit 3,2 Mrd. oder einem Prozent des BIPs. Und das entspreche ziemlich genau dem Rückgang des Defizits von 2,6 auf 1,5Prozent.

Staatsschulden explodieren

Zudem sind die Zahlen aus dem Vorjahr ohnehin Schnee von gestern: Heuer werden, wie berichtet, Belastungen aus der Hypo-Abbaugesellschaft das Defizit wieder ordentlich hochschnellen lassen. Und die bisher unterdurchschnittlich gestiegene Staatsschuld wird von 74,5 auf mindestens 81,5Prozent des BIPs geradezu explodieren. Die Gründe: Die gesamte Hypo-Abbaugesellschaft schlägt demnächst auf die Staatsschuld durch, und zusätzlich müssen ab Herbst bisher ausgelagerte Schulden etwa der ÖBB oder der Bundesimmobiliengesellschaft BIG in die Staatsschuld eingerechnet werden. Derzeit werden rund 31 Mrd. Euro an Staatsschulden auf diese Weise „versteckt“. Die übrigen, im Staatsschuldenbericht angeführten (und teilweise kritisierten) Punkte sind bekannt: zu hohe Steuerquote, zu wenig wachstumsfördernde Ausgaben, zu langsame Budgetkonsolidierung.

Trick bei den Ausgaben

Relativ schwach, nämlich nur um 1,2Prozent, sind im Vorjahr die Staatsausgaben gestiegen. Das hat aber nichts mit Ausgabendisziplin zu tun. Es wurden einfach (siehe nebenstehende Glosse) die Einnahmen aus der Frequenzversteigerung (immerhin zwei Mrd. Euro oder 0,6Prozent des BIPs) nicht als Einnahmen verbucht (die wachsen durch die kalte Progression ohnehin kräftig), sondern als „negative Ausgaben“, die das Ausgabenniveau verringern.

Dass die Buchung auf der anderen Seite im gleichen Ausmaß die Staatseinnahmen schmälert, ist dagegen kein Beinbruch: Die wuchsen mit 3,4Prozent nämlich ohnehin wesentlich stärker als das BIP, weil Steuererhöhungen und kalte Progression durchschlagen.

AUF EINEN BLICK

Bundesländerpleiten. Der Fiskalrat (früher Staatsschuldenausschuss) schlägt vor, Bundesländern, die absehbar in Richtung Zahlungsunfähigkeit schlittern, vorübergehend die Budgethoheit zu entziehen. Damit sollen Situationen, wie sie im Zuge der Hypo-Pleite in Kärnten entstanden sind, künftig vermieden werden. Die Landeshauptleutekonferenz wehrt sich naturgemäß gegen diese Beschneidung ihrer Machtposition.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2014)

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