Aktien: Kalte Dusche an Moskaus Börse

Micex Stock Index As Russia And Ukraine Trade Accusations On Downed Malaysia Jet
Micex Stock Index As Russia And Ukraine Trade Accusations On Downed Malaysia Jet(c) Bloomberg (Andrey Rudakov)
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Russlands Börse ist zu einem extremen Wechselbad der Investorengefühle geworden. Seit den neuen Sanktionen und dem Flugzeugabsturz in der Ukraine ist die Umgebung frostig.

Wien. Russlands Aktienmarkt ist und bleibt bis auf Weiteres ein extremes Wechselbad der Gefühle. Eben noch hatte die Situation nach einer weiteren und nachhaltigen Erholung von den Frühjahrsturbulenzen rund um die Krim ausgesehen, weil mit der Wahl von Petro Poroschenko zum Präsidenten eine Beruhigung der Lage möglich schien. Nun, da am vorigen Donnerstag ein Passagierflugzeug in der Ostukraine abgeschossen wurde, sind diese Hoffnungen fürs Erste zerschlagen. Moskau ist zudem mit neuen Sanktionen konfrontiert. Und die Moskauer Börse fährt schocktiert bergab. Konkret verlor der in Dollar nominierte Index RTS in der Vorwoche 7,7 Prozent, der Rubelindex MICEX 5,5 Prozent. Am Montag ging es im Tagesverlauf um weitere gut zwei Prozent nach unten. Damit ist die Hälfte des beeindruckenden Zuwachses, der seit dem Mehrjahrestief von Mitte März hingelegt worden war, vernichtet. Auch der Rubel verlor seit der Vorwoche deutlich an Wert.

Quer durch die Bank

Führten die am Mittwoch verhängten US-Sanktionen gegen vier führende russische Konzerne (Ölkonzern Rosneft, Gaskonzern Novatek sowie die Banken Gazprombank und VEB) vor allem zum Verkauf dieser Papiere, so wurde am Freitag quer durch die Bank veräußert. So verlor die Aktie der Fluglinie Aeroflot, die einige Flüge in die Ukraine streichen musste, in der Vorwoche 7,3 Prozent. Die Papiere des Gaskonzerns Gazprom befinden sich seit Tagen schwer unter Druck, obwohl der Gastransit durch die Ukraine eigentlich tadellos funktioniert. Die gesamte Situation sei eine „Katastrophe, und zwar nicht nur einer Flugzeugkatastrophe“ meint Natalja Samojlova, Chefanalystin bei der Investitionsgesellschaft Golden Hills-Kapital AM.

Dennoch fiel die Katastrophe an der Börse geringer aus, als das von Marktteilnehmern erwartet worden und schon früher – nämlich bei der Krim-Krise im März – der Fall gewesen war. Die Investoren würden sich wohl allmählich an schlechte Nachrichten aus Russland gewöhnen, meint Maxim Korovin, Analyst bei VTB Capital, zur Zeitung „Wedomosti“.

Schlüsselrisiken unverändert

„Eine erneute Verschlechterung in der Ukraine“ und das Damoklesschwert neuer Sanktionen seien die Schlüsselrisiken in Russland, hielt Morgan Stanley in einer Analyse schon Anfang Juli fest. Der Befund hat nun an Aktualität sogar gewonnen. Schließlich betreffen die neuen US-Sanktionen systemrelevante Konzerne, denen nun der Zugang zum US-Kapitalmarkt erschwert wird. Als Folge sinkt der Rubel, die inländischen Kreditzinsen steigen, was Konsumnachfrage und Investitionen drosselt.

Ukraine-Krise als Verstärker

Unter dem Strich verstärken die Ukraine-Turbulenzen die Wachstumsflaute, die Russland seit dem Vorjahr im Griff hat, weil das alte Wachstumsmodell ausgedient hat und ein neues nicht gefunden ist. Im zweiten Halbjahr sei eine Rezession wahrscheinlicher geworden, so Morgan Stanley in einer aktuellen Analyse, die auch von anderen Banken geteilt wird. Vor diesem Hintergrund ist unter Analysten umstritten, ob der große Abschlag, mit dem russische Werte im Vergleich zu anderen Schwellenländern gehandelt werden, übermäßig oder doch gerechtfertigt ist. Der Markt sei nur leicht überverkauft, meinte Credit Suisse vor zehn Tagen und gab dem RTS-Index ein Wachstumspotenzial von nur fünf Prozent bis Jahresende. Die aktuellen Verluste haben das Potenzial auf den ersten Blick vergrößert, die politischen Zuspitzungen aber die Situation deutlich verschlechtert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.07.2014)

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