Schulden: Chinas Wirtschaft wächst auf Pump

CHINA QIANMEN DEVELOPMENT
CHINA QIANMEN DEVELOPMENT(c) EPA (ADRIAN BRADSHAW)
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Die Gesamtverschuldung der Volksrepublik China ist bereits auf über 250 Prozent der Wirtschaftsleistung angestiegen. Auffällig ist dabei vor allem der steile Anstieg seit 2008.

Wien/Peking. Verglichen mit anderen Volkswirtschaften schauen die Zahlen für China auf den ersten Blick gar nicht so schlecht aus: Die Gesamtverschuldung (die Schulden von Staat, Unternehmen und Privaten) ist kürzlich auf 251 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) geklettert. Das geht aus einem Bericht der Standard Chartered Bank hervor, wie die „Financial Times“ berichtet. In Japan liegt dieser Wert bei 415, in Spanien bei 300 Prozent. Auch die USA (260 Prozent) oder Großbritannien (277 Prozent) weisen höhere Werte auf.

Steiler Anstieg der Schulden

Auch ist China vor allem im eigenen Land verschuldet. Damit bleibt die Volksrepublik finanziell unabhängig. Doch viele Unternehmen und Kommunen können ihre Kredite nicht mehr begleichen: Investitionen bleiben aus, und das bremst die Wirtschaft.

Was die chinesischen Zahlen zudem von denen Japans oder der USA unterscheidet, ist der starke Anstieg in den vergangenen fünf Jahren: Ende 2008 betrug die Gesamtverschuldung im Reich der Mitte erst 147 Prozent. In kaum einem anderen Land war der Anstieg so groß. „Chinas gegenwärtiger Schuldenstand ist für ein Schwellenland schon sehr hoch“, sagt dazu Chen Long, Ökonom bei Gavekal Dragonomics, einem Beratungsunternehmen in Peking. Die wenigen Volkswirtschaften mit noch höherer Gesamtverschuldung seien solche mit hohem Pro-Kopf-Einkommen. „Das bedeutet, dass China verschuldet ist, bevor es reich wird.“

Denn das Wirtschaftswachstum erfolgt auf Pump. Wie das nationale Statistikamt in Peking kürzlich bekannt gab, hat die Konjunktur im zweiten Quartal verglichen mit dem Vorjahreszeitraum um 7,5 Prozent an Fahrt gewonnen und damit stärker, als von Ökonomen angenommen. Für das Gesamtjahr hat sich die chinesische Führung ebenfalls ein Ziel von 7,5 Prozent gesetzt. Dass Chinas Wirtschaft besser dasteht, als eine Mehrheit der Ökonomen erwartet hat, hängt nach Ansicht derselben mit den Milliardenspritzen der Regierung zusammen.

Hohe Staatsausgaben

Premierminister Li Keqiang hat zwar mehrfach beteuert, dass es anders als in den Jahren zwischen 2009 und 2011 keine groß angelegten Konjunkturhilfen geben werde. Doch das ist gelogen. Zwar hat Peking den Staatsbetrieben befohlen, die Ausgaben zu drosseln. Vor allem im Eisenbahnsektor und im sozialen Wohnungsbau sind die Investitionen aber erneut in die Höhe geschnellt. Allein im Juni lagen die Staatsausgaben im Vergleich zum Vorjahresmonat mit umgerechnet 200 Mrd. Euro um 26 Prozent höher. Das ist für China ein neuer Rekord. Auch die Kreditvergabe wurde wieder ausgeweitet.

Nach der Lehman-Pleite 2008 war China der Wirtschaftskrise nur aufgrund eines gigantischen Konjunkturpakets und einer massiven Ausweitung der Kreditvergabe entkommen. Die Wirtschaft wuchs daraufhin zweistellig, vor allem auf dem Immobiliensektor kam es zu einer Überhitzung. Zudem fühlten sich die Provinzregierungen und Kommunen ermutigt, Bahnhöfe, Flughäfen, Konzerthäuser und Messehallen zu errichten, die bis heute keine Rendite abwerfen. Und auch viele Staatsunternehmen haben es mit ihren Investitionen übertrieben und gewaltige Überkapazitäten geschaffen. Zumindest einige Branchen in China leiden auch weiter unter diesem Überangebot.

„Wenn Chinas Führung weiter großzügig Konjunkturpakete schnürt, die sie offiziell bloß nicht zugibt, setzt sie damit dieselbe Politik fort, die Chinas Wirtschaft in den vergangenen zwei Jahren so anfällig gemacht hat“, befürchtet der chinesische Ökonom Mao Yanhua von der Sun-Yatsen-Universität in Guangzhou. Die Regierung könne wählen, ob sie noch mehr Hilfen durchdrückt oder ein langsameres Wachstum hinnimmt, meint Chang Jian, Analyst von Barclays Capital. Er plädiert für Letzteres. Das sei nachhaltiger. (b.l./lee)

AUF EINEN BLICK

Die Gesamtverschuldung (von Staat, Unternehmen und Privaten) in China ist in nur fünf Jahren um rund hundert Prozentpunkte auf 250 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestiegen. Trotz gegenteiliger Beteuerungen stützt die Regierung das Wirtschaftswachstum mit Konjunkturpaketen und lockerer Kreditvergabe. Heuer dürfte die chinesische Wirtschaft um 7,5 Prozent wachsen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.07.2014)

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