"Putin-Effekt": Kalte Dusche für deutsche Wirtschaft

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Die Stimmung in den deutschen Chefetagen hat sich im Juli noch mal deutlich verschlechtert. Der Ifo-Index sank bereits zum dritten Mal in Folge.

Die deutsche Wirtschaft blickt angesichts globaler Krisen wie dem Krieg in der Ukraine zunehmend skeptischer auf die kommenden Monate. Die Stimmung in den Chefetagen hat sich im Juli noch mal deutlich verschlechtert. Der Ifo-Geschäftsklimaindex sank bereits zum dritten Mal in Folge und das kräftiger als von Experten erwartet und steht nun bei 108,0 Punkten, wie das Ifo Institut am Dienstag in München mitteilte.

Niedriger war der Wert zuletzt im Oktober 2013. Im Juni lag der Index noch bei 109,7 Punkten. "Die geopolitischen Spannungen belasten die deutsche Wirtschaft", sagte Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn am Freitag. Ob sie auch eine echte Gefahr für die Konjunktur sind, ist noch unklar.

Experten dennoch zuversichtlich

Für die Berenberg-Bank liegt die Hauptursache des Stimmungsabschwungs in Moskau. Es sei der "Putin-Effekt", der wie eine kalte Dusche auf die bisher so zuversichtliche deutsche Wirtschaft wirke. Die Verschärfung der Lage nach dem mutmaßlichen Abschuss eines Passagierflugzeugs über der Ukraine habe die Sorgen noch mal deutlich erhöht. Doch auch hier dürfte es noch vor allem um Psychologie gehen, denn die Folgen der bisherigen Sanktionen der EU gegen Russland halten sich für deutsche Unternehmen noch in engen Grenzen.

Auch deswegen rechnen viele Experten noch nicht mit einem Ende des Aufschwungs in Deutschland, wohl aber mit einer Verlangsamung. Erst vor einem Monat hatte etwa das Ifo Institut seine Wachstumsprognose für dieses Jahr von 1,9 auf 2 Prozent erhöht. Steigende Löhne und Gehälter kurbelten zudem auch die Binnenwirtschaft an. Insgesamt sei die deutsche Konjunktur robust unterwegs. Doch die Risiken wachsen. "Zwar deuten alle Frühindikatoren weiter auf eine anhaltende Erholung der deutschen Wirtschaft", sagte Commerzbank-Experte Ralph Solveen. "Doch insbesondere der Rückgang des Ifo spricht dafür, die Erwartungen an das zweite Halbjahr nicht zu hoch zu stecken."

Krisen in Ukraine und Nahost verunsichern

Volkswirte gehen davon aus, dass sich nach drei Bewegungen in eine Richtung beim Ifo-Index eine Trendwende in der Entwicklung zeigt. Doch für so einfache Antworten ist die Lage viel zu kompliziert. Überrascht hat viele Fachleute vor allem das deutliche Minus beim Ifo-Index, der nicht wie erwartet um 0,3 Punkte nachgab, sondern um 1,7 Punkte - ein ziemlich drastischer Rückgang. Auch die Bewertung der Lage gab ähnlich deutlich nach, die ohnehin etwas niedrigeren Erwartungen an die kommenden Monaten sanken etwas weniger heftig.

Dabei überlagern sich vermutlich mehrere Effekte. "Das erste Quartal war für die deutsche Wirtschaft außergewöhnlich stark", sagte Ifo-Konjunkturexperte Klaus Wohlrabe. Dieses Wachstum lasse sich über das Jahr nicht halten, auch das erkläre die Zurückhaltung, die viele Firmen bei der Bewertung ihrer Situation inzwischen üben.

"Die Spannungen in der Ukraine und in Nahost sind in ihren Folgen für die Weltwirtschaft noch unklar, sie tragen aber gewiss zur Verunsicherung der Unternehmen bei", sagte KfW-Chefvolkswirt Jörg Zeuner. DZ-Bank-Chefvolkswirt Michael Holstein ergänzt: "Unsicherheit ist immer schlecht fürs Geschäft." Das zeigt sich auch, wenn man ein wenig genauer in die Zahlen des Ifo-Index schaut. So sanken die Exporterwartungen der Industrie auf den tiefsten Stand seit einem Jahr. Noch drücken sich darin vor allem Befürchtungen aus. Ob die sich in den Auftragsbüchern tatsächlich niederschlagen, ist offen.

(APA/dpa)

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