Die Welt hat langsam genug vom Dollar

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Genau 70 Jahre nach der Konferenz von Bretton Woods ist der US-Dollar als globale Leitwährung angezählt. EU und BRICS wenden sich ab. Aber König Dollar regiert erst mal weiter.

Dann eben Shanghai. Fast genau 70 Jahre, nachdem auf der Konferenz von Bretton Woods am 22. Juli 1944 die Inthronisierung des Dollar als Weltreservewährung und Ersatz für Gold beschlossen worden war, zogen die Staatschefs der aufstrebenden BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) bei ihrem kürzlich abgehaltenen Gipfel einen Schlussstrich unter dieses Kapitel Währungsgeschichte. Es war eine politische Entscheidung von historischem Ausmaß – auch wenn Medien und Märkte wenig Notiz nahmen.

Künftig wollen die BRICS-Staaten, die mit drei Milliarden Menschen etwas weniger als die Hälfte der Erdbevölkerung stellen, in Sachen Währungspolitik eigene Sache machen. Mit der New Development Bank, die in Shanghai residieren soll, und dem sogenannten Contingent Reserve Arrangement wollen sie ein System außerhalb des bestehenden Systems schaffen. Oder, flapsig gesagt: Sie wollen den Dollar umgehen – ja, sogar ablösen. Aber langsam.


Euro als Konkurrent. Der Grund, warum weder Märkte noch Medien die Tragweite des BRICS-Beschlusses realisiert haben: Der US-Dollar sitzt fest auf dem Thron, er ist und bleibt der König unter den Währungen. Die USA sind (noch) Wirtschafts- und Militärmacht Nummer eins. Weder der russische Rubel noch der brasilianische Real – ja noch nicht einmal der chinesische Yuan – kann es mit der Weltwährung auch nur ansatzweise aufnehmen. Wenn überhaupt, dann gibt es nur einen ernst zu nehmenden Konkurrenten: den Euro.

Aber 87 Prozent aller Transaktionen auf dem Billionen Dollar schweren Währungsmarkt beinhalten immer noch den Dollar. Und auch wenn der Euro bereits an 36 Prozent der Geschäfte beteiligt ist: Das Erbe von Bretton Woods ist intakt. Das zeigen schon die bei den Zentralbanken gebunkerten Währungsreserven: Rund 60 Prozent der Reserven werden in Dollar gehalten – und rund 25 Prozent in Euro.

Aber warum ist die Etablierung einer eigenen „Weltbank“ durch die BRICS-Staaten als Attacke auf den Status des Dollar zu werten? Weil die Alternativen dadurch an Bedeutung verlieren. Namentlich: die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF).

Der hat längst ein enormes Imageproblem. In vielen Ländern Asiens und Südamerikas wird der IWF als brutaler Geldeintreiber wahrgenommen, der im Zweifelsfall Nationen die Kniescheibe zertrümmert, um ans Geld seiner Auftragsgeber zu kommen. Von seiner ursprünglichen Rolle als Koordinator des Währungssystems von Bretton Woods, das 1944 beschlossen wurde, hat er sich längst weit entfernt. Die BRICS-Staaten zeigten sich in ihrem Gipfel-Kommuniqué zudem „enttäuscht und ernsthaft besorgt“, weil die im Jahr 2010 beschlossenen Reformen des IWF noch immer nicht umgesetzt wurden.

Diese Reform hätte aus dem IWF rund 70 Jahre nach dessen Entstehen eine wahrhaft internationale Organisation gemacht. Bisher wird der IWF nämlich einzig und allein von den USA dominiert, die die Sperrminorität der Stimmen halten und deswegen jede Entscheidung per Veto blockieren können. Durch die Etablierung eigener Einrichtungen erhöhen die BRICS-Staaten den Druck auf die USA, die Reform rasch durchzuziehen. Aber wie so oft in der Geschichte scheint die Realität den Planungen der Politiker zuvorzukommen.


König Dollar.
Der Dollar ist nicht die erste Leitwährung der Geschichte – und er wird nicht die letzte sein. Die griechische Drachme spielte diese Rolle schon fünf Jahrhunderte vor Christus. Später war es der römische Denar. Im Mittelalter dominierten der Islamische Dinar im Osten und der Rheinische Gulden im Westen. Dann kamen Portugal, Spanien, Holland, Frankreich und Großbritannien zur Ehre.

Und jetzt eben der US-Dollar. Seine Stärke ist längst zum Nachteil geworden, denn absolute Macht kann man nicht mehr ausbauen – man kann sie nur verlieren. Noch müssen auf dem Währungsmarkt alle Währungen zuerst in Dollar und dann in die jeweilige andere Währung gewechselt werden. Ein Privileg, das durch eine wachsende Anzahl an Währungs-Agreements zwischen den Zentralbanken bröckelt.

Gleichzeitig nehmen China und Russland die letzte große Bastion des Dollar ins Visier: den Ölhandel. Seit das System von Bretton Woods 1971 zusammengebrochen ist und die Bindung des Dollar an Gold aufgelöst wurde, hat sich der Dollar vor allem als Ölwährung etabliert. Wer Öl will, braucht Dollar. Aber Russland und China haben im Mai historische Rohstoffverträge abgeschlossen und auch die Absicht kundgetan, diese in ihren eigenen Währungen abwickeln zu wollen – in Zukunft.

Denn – und das ist der entscheidende Punkt – während Europa und China ihre Währungen gern als Dollarnachfolger etablieren würden, hat niemand ein Interesse an einer Dollarkrise oder gar einem Währungskrieg mit Handelsschranken und allem, was zu einer globalen Krise dazugehört. China braucht Amerika, Amerika braucht China; beide brauchen Europa, und Europa braucht beide (plus Russland). Die Macher des Euro waren immer sehr offen, was ihre Pläne betrifft. Der Euro sollte sich auf dem Markt etablieren und aufgrund seiner Stabilität und Vertrauenswürdigkeit die Rolle als Leitwährung übernehmen.

Derzeit stehen die Sterne ganz gut, wird doch der Yuan weiterhin von einem autokratischen Politbüro kontrolliert und liegt damit in Sachen Vertrauen klar zurück. Aber Europa und China halten auch gewaltige Dollarreserven – sie haben also gar kein Interesse an einer akuten Dollarkrise. Das stärkt den Status quo. Seit dem 15. Jahrhundert hat der Status einer Leitwährung jeweils 80 bis 110 Jahre gehalten. Der Dollar spielt de facto schon seit 1925 diese Rolle – seit 89 Jahren also. Aber solange das vorläufige Kapital der neuen BRICS-Institutionen mit „150 Millionen Dollar“ und nicht etwa „111 Millionen Euro“ oder gar „930 Millionen Yuan“ angegeben wird, solange regiert König Dollar einfach weiter.

Dollar- timeline

1925. Der Dollar löst das britische Pfund als wichtigste Reservewährung ab.

1944. Bretton Woods: Neues System mit dem Dollar im Zentrum wird beschlossen.

1971. Das Bretton-Woods-System bricht zusammen. Der Dollar wird seitdem vor allem durch seine Bedeutung im Ölhandel gestützt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2014)

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