Der stille Held der Knauserer

So sah der Feinkostladen der Familie Albrecht in der Huestraße 89 in Essen im Jahr 1930 aus – der Ausgangspunkt für den späteren Weltkonzern Aldi.
So sah der Feinkostladen der Familie Albrecht in der Huestraße 89 in Essen im Jahr 1930 aus – der Ausgangspunkt für den späteren Weltkonzern Aldi. Aldi
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Aldi-Gründer Karl Albrecht ist tot. Er erfand das Prinzip Diskont und machte aus dem Essener Feinkostladen seiner Eltern einen Weltkonzern.

Er bot Europas größten Knauserern genau das, was sie wollten“, schrieb ein deutscher Journalist über den vergangene Woche verstorbenen Aldi-Gründer Karl Albrecht. Ob die Deutschen Europas größte Knauserer sind oder nicht, sei dahingestellt. Tatsache ist: Karl Albrechts Ladenkonzept hat eine im deutschen Handel beispiellose Erfolgsgeschichte hingelegt und dem Modell Diskont im Lebensmittelhandel zu internationalem Erfolg verholfen.

Albrecht war nicht nur der reichste Mann Deutschlands, sondern vielleicht auch selbst einer der knausrigsten, einer, der mit nüchterner Präzision ans Werk ging und seinen Mitarbeitern viel abverlangte. Einer, der sich selbst aber auch wenig Luxus gönnte.

Wie Karl Albrecht und sein 2010 verstorbener Bruder Theo, mit dem gemeinsam er das Aldi-Imperium aufgebaut hat, tickten, zeigt sich auch an deren letzten Ruhestätte: Die liegt nicht etwa im schicken Essener Südwesten, wo die pompösen Gräber einer anderen deutschen Unternehmerdynastie, der Krupps, zu finden sind. Sondern im Feld 15 des städtischen Friedhofs Brederney, bepflanzt mit Eiben, Rhododendren und Zypressen, die die Brüder vorsorglich eingekauft hatten, als diese bei Aldi gerade im Angebot waren. Karl Albrecht wurde am vergangenen Montag im engsten Kreis beigesetzt, nur Familie, Freunde und die wichtigsten Manager von Aldi Süd (zu dem auch Hofer gehört) waren anwesend. Aldi Süd war Karls Teil des Konzerns, den sich die Brüder bereits in den 1960er-Jahren aufgeteilt hatten.

Begonnen hatte alles nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Brüder den Feinkostladen der Eltern in Essen übernahmen. Die Lage im Ruhrpott, der deutschen Industrie- und Arbeiterhochburg, sollte sich als idealer Nährboden für das Geschäftsmodell erweisen, das die Albrechts in der zweiten Jahrhunderthälfte perfektionierten. An Luxus war man in diesem Teil Deutschlands nicht gewöhnt, und mit dem No-Nonsense-Prinzip – Ware auf schlichten Paletten unter Neonröhren, dafür in guter Qualität und billig wie sonst nirgendwo – konnte man bei der Bevölkerung punkten.


Nudeln statt Graupen.
Das Diskontmodell reifte in den Sechzigerjahren, als die Brüder in den damals schon existierenden Filialen das Sortiment wieder radikal auf das Niveau der Nachkriegszeit verknappten, um die Kosten zu drücken. Natürlich gab es auch Zugeständnisse an den Geschmack der Kunden: Statt der in den Fünfzigerjahren so ungeliebten Graupen, typischer Kriegskost, nahm man ebenfalls günstige Nudeln ins Sortiment auf. Die Kunden nahmen diese Änderungen dankbar an und stürmten die Läden, die die Brüder ganz schlicht Aldi nannten, nach den beiden Anfangsbuchstaben von „Albrecht“ und „Diskont“. In den Sechzigerjahren entschlossen sich die Brüder auch bereits dazu, ihr wachsendes Imperium in zwei Hälften zu teilen. Theo blieb in Essen, Karl bekam Mülheim. Nach ein paar weiteren Jahren stetiger Expansion zogen sie dann eine Trennungslinie quer durch die Republik, von den Deutschen scherzhaft „Aldi-Äquator“ genannt. Nördlich regierte Theo. Der Süden – zu dem bald auch Österreich zählte, wo Aldi Süd 1967 den Diskonter Hofer übernahm – war Karls Reich.

Der Wettbewerb zwischen den beiden dürfte dazu beigetragen haben, dass Aldi so schnell gewachsen ist. Hatte in den Achtzigerjahren Theo mit Aldi Nord noch die Nase vorn, lag 2013 Aldi Süd laut Daten von EHI qua Nettoumsatz mit 13,8 Milliarden Euro klar vor Aldi Nord mit zehn Milliarden Euro.

Der Erfolg von Aldi beruht auf einem Führungsstil, der alles bis ins letzte Detail genau kalkuliert, um Kosten auf ein Minimum zu reduzieren. Karl Albrecht schwor auf das Harzburger Modell, eine Managementmethode, die in den Fünfzigerjahren entwickelt wurde. Deren Devise: Verantwortung abgeben, aber bei ständiger Kontrolle.


Leere Schreibtische, keine Piercings. Ein Geschmack davon, was das für die Mitarbeiter bedeutet, zeigt eine Arbeitsanweisung aus einem bereits vor Jahrzehnten verfassten Geschäftsführerhandbuch, das laut „Spiegel“ immer noch verwendet wird: „Auf der Schreibtischplatte eines Managers hat nichts als der Terminkalender zu liegen, im oberen Schubfach der linken Schreibtischseite das Bürokleinmaterial, die mittlere Schublade ist für Formularständer von Rechnungen und Quittungen reserviert...“ In diesem Stil geht es seitenweise weiter.

Für Filialmitarbeiter gibt es auch einiges zu beachten: Nagellack, Piercings oder Dreitagebart sind nicht erwünscht. Wer schlampig ist und sich nicht an die strikten Vorgaben hält, wird schnell gefeuert. Was die diktatorische Bevormundung zum Teil wettmacht, ist der gute Lohn. Aldi zahlt deutlich über Tariflohn, bereits in den Siebzigerjahren hatte Karl Albrecht entschieden, den Mitarbeitern auf einen Schlag um 30 Prozent mehr zu zahlen. „Gut bezahlte Mitarbeiter leisten mehr“, erklärte er damals seinen Managern.

Diese Mischung aus Pedanterie und kalkulierter Großzügigkeit blieb bis heute erhalten, auch wenn Karl Albrecht sich schon in den Neunzigerjahren aus dem Vorstand und 2002 auch aus dem Aufsichtsrat zurückgezogen hat. Externe Manager führen jetzt den Konzern – sehr im Sinne des Gründers. Operativ ist derzeit kein Familienmitglied im Konzern tätig. Karl Albrechts Enkel, Peter Max Heister, wacht aber über die Familienstiftung, in der ein Vermögen von geschätzten 20 Milliarden Euro geparkt ist.

Steckbrief

Karl Albrecht wurde am 20. Februar 1920 in Essen geboren.

Feinkostladen. In den 1950er-Jahren übernahm er gemeinsam mit seinem Bruder Theo den Feinkostladen seiner Eltern.

Teilung. Anfang der 1960er-Jahre bekam Aldi sein Diskont-Profil. Die Brüder teilten ihr Imperium in Aldi Nord und Aldi Süd. In Österreich kaufte Aldi Süd den Diskonter Hofer.

Ausland. Heute sind Aldi Nord und Aldi Süd in insgesamt 17 Ländern auf drei Kontinenten vertreten. Weltweit kommen beide auf über 10.000 Filialen und einem Nettoumsatz von 23 Mrd. Euro (EHI).

Vermögen. Karl Albrecht stieg schon in den Neunzigerjahren aus dem operativen Geschäft aus. Sein Vermögen von 20 Mrd. Euro steckt in einer Familienstiftung, in deren Vorstand sitzt Karls Enkel Peter Max Heister. EPA

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2014)

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