Russland muss 50 Mrd. Dollar zahlen

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RUSSIA KHODORKOVSKY TRIAL(c) EPA (MAXIM SHIPENKOV)
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Ein Schiedsgericht hat Russland zu Zahlungen an ehemalige Yukos-Aktionäre verurteilt. Der Staat hatte sich die wertvollsten Teile des Konzerns in einer zweifelhaften Auktion einverleibt.

Moskau. Mit Zufriedenheit und Genugtuung nahm Michail Chodorkowski die Entscheidung des Ständigen Schiedsgerichts in Den Haag zur Kenntnis. Dies sei das erste unabhängige Gericht, das den Yukos-Fall zur Gänze verhandelt habe, dazu Beweise gesichtet und Zeugen vernommen habe, sagte der Ex-Chef des ehemals größten privaten Erdölkonzerns Russlands.

Das Schiedsgericht hatte am Montag Russland zur Zahlung von 50 Mrd. Dollar (37,2 Mrd. Euro) Schadenersatz an frühere Yukos-Aktionäre verurteilt. Auch wenn er selbst nicht Partei in diesem Verfahren sei und daraus keinerlei finanziellen Vorteile ziehe, sei es „wunderbar“, dass die Anteilseigner nun eine Chance hätten, für ihre Verluste entschädigt zu werden, so Chodorkowski, der im vergangenen Dezember nach zehn Jahren Lagerhaft aufgrund einer persönlichen Begnadigung durch Präsident Wladimir Putin freigekommen war.

Chodorkowski, dessen Vermögen von „Forbes“ einst auf 15 Mrd. Dollar geschätzt wurde, bedauert bei dem Entscheid einzig, dass der russische Staat für die Entschädigung aufkommen muss und „nicht die regierungsnahen Mafiosi und Putin-treuen Oligarchen“.

Die Kläger forderten in dem neun Jahre dauernden Prozess 114 Mrd. Dollar (ca. 85 Mrd. Euro). Zur Zahlung von knapp der Hälfte der Summe, 50 Mrd. Dollar plus 65 Mio. Dollar Prozesskosten (etwa jener Betrag, den Russland für die Olympischen Winterspiele in Sotschi aufgebracht hat) wurde Moskau nun verurteilt. Die Börse in Moskau reagierte negativ und gab im Tagesverlauf zeitweilig um bis zu zwei Prozent nach.

Politisch motivierte Prozesse

Die Entschädigung geht an Tochterfirmen der Beteiligungsgesellschaft GML mit Sitz in Gibraltar (vormals: Menatep Group). 2002 kontrollierte diese 61 Prozent der Yukos-Aktien. Mehrheitseigner ist Leonid Newslin, ehemaliger Top-Manager des Ölkonzerns und langjähriger Geschäftspartner von Chodorkowski, der bereits 2003 aus Russland nach Israel emigrierte. Chodorkowski hatte ihm 2005 seine direkten Anteile an Menatep übertragen.

Die Prozesswelle, mit der Moskau ab 2003 Yukos und Chodorkowski überzog, wird im Westen großteils als politisch motiviert betrachtet. 2003 wurde Chodorkowski verhaftet und später wegen Geldwäsche und Betrugs verurteilt. Zuvor hatte er gegenüber Präsident Putin die grassierende Korruption in Russland angeprangert und begonnen, kremlkritische, zivilgesellschaftliche Organisationen zu unterstützen.

2004 verurteilte ein Schiedsgericht in Moskau Yukos dazu, Steuern in der Höhe von 2,8 Mrd. Euro nachzuzahlen. 2006 wurde gegen den Konzern ein Insolvenzverfahren veröffentlicht. Yuganskneftegaz, das Filetstück des Ölkonzerns, wurde in einer zweifelhaften Auktion dem staatlichen Konkurrenten Rosneft zugeschlagen.

In seiner Begründung vom Montag sah es das Haager Gericht als erwiesen an, dass es Russland bei der Zerschlagung des Konzerns nicht um die Eintreibung von Steuerschulden ging, sondern darum, Yukos in den Bankrott zu treiben und die wichtigsten Unternehmenseinheiten des Ölkonzerns zu übernehmen.

Die Kläger hatten Moskau eine Verletzung des Energiecharta-Vertrages vorgeworfen. Diese schützt etwa Auslandsinvestitionen im Energiebereich. Schon 2009 hatte das Gericht entschieden, dass Russland der Charta verpflichtet ist, obschon der russische Staat dem Vertrag nur zugestimmt, ihn aber nicht ratifiziert hat. Dass Moskau damals erklärte, den Vertrag nicht unterschreiben zu wollen, ändere daran nichts.

Russland legt Berufung ein

Die Entschädigungssumme muss bis zum 15. Jänner 2015 überwiesen werden. Bis die Kläger ihr Geld sehen, könnte jedoch noch mehr Zeit vergehen. Erwartet wird, dass Russland gegen den Entscheid Berufung einlegen wird. „Zweifellos wird die russische Seite alle ihr zustehenden rechtlichen Mittel nützen, um ihre Position zu verteidigen“, teilte Außenminister Sergej Lawrow bei einer Pressekonferenz in Moskau mit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.07.2014)

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