Schuldenstreit: Schicksalstag für Buenos Aires

A garbage recycler pushes his cart along a street in Buenos Aires
A garbage recycler pushes his cart along a street in Buenos Aires(c) Reuters
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Am Mittwoch läuft für Argentinien die Frist zur Begleichung von Anleihezinsen ab. Das Land will, darf aber nicht zahlen, wenn es nicht vorher Hedgefonds auszahlt.

Wien. Es ist eine verzwickte Situation, in der sich der einstige südamerikanische Vorzeigestaat Argentinien befindet: Heute, Mittwoch, läuft die Frist aus, 539 Millionen Dollar an Zinsen für vor 2001 begebene und in den vergangenen Jahren umgeschuldete Anleihen zu begleichen. Argentinien hat das Geld und will diese Zinsen auch bezahlen. Die Summe liegt sogar bereits seit mehr als einem Monat auf einem Treuhandkonto.

Allerdings darf dieses Geld laut dem Urteil eines New Yorker Richters nicht ausbezahlt werden. Nicht, bevor nicht auch eine Gruppe von Hedgefonds rund um den US-Milliardär Paul Singer 1,33 Milliarden Dollar plus Zinsen für ausständige Anleihen ausbezahlt bekommt. Dies will Argentinien jedoch nicht – zumindest nicht vor dem Jahr 2015. Denn erst dann ist eine Klausel in den Umschuldungsverträgen abgelaufen, laut der auch andere Gläubiger von Argentinien die gesamte Schuld zurückfordern können, wenn es zu einer Bevorzugung einzelner Gläubiger kommt. Und die Zahlung an die Hedgefonds wäre eine solche. In diesem Fall drohen Argentinien zusätzliche Forderungen von zumindest 125 Milliarden Dollar. Zu viel für das wirtschaftlich angeschlagene Land.

Von Vergangenheit eingeholt

Ursprung der aktuellen Probleme ist immer noch die Zahlungsunfähigkeit aus dem Jahr 2001. Damals stand das Land vor einem Rekordschuldenberg von 95 Milliarden Dollar, den es nicht mehr begleichen konnte und schlitterte in eine ungeregelte Staatspleite, die für die Einwohner gesperrte Konten, wütende Proteste und Ausschreitungen mit Todesopfern bedeutete.

In mühevollen Verhandlungen wurde in den darauffolgenden Jahren mit den Gläubigern eine weitgehende Umschuldung vereinbart. Die Investoren streckten dabei die Rückzahlungszeiträume und verzichteten auf bis zu 70 Prozent ihrer Forderungen. 93 Prozent aller Geldgeber stimmten schlussendlich diesem Kompromiss zu. Nur eine – von der argentinischen Politik „Geierfonds“ genannte – Gruppe von Finanzinvestoren rund um Singer tat dies nicht.

Diese verfolgte nämlich ein besonderes Geschäftsmodell: Die Fonds hatten die Anleihen großteils erst nach der Staatspleite um einen Bruchteil ihres ursprünglichen Wertes von 1,33 Milliarden für rund 60 Millionen Dollar gekauft. Und da diese Anleihen nach internationalem Recht und in Dollar denominiert ausgegeben wurde, konnten die Fonds in den USA klagen. Was sie auch taten. Sie forderten von Argentinien die Zahlung der gesamten ausständigen Summe.

Hoffen auf Jahreswechsel

Von den Südamerikanern wurde diese Forderung aus dem Norden über Jahre hindurch zurückgewiesen – auch noch, als der New Yorker Bezirksrichter Thomas Griesa im Jahr 2012 Argentinien dazu verurteilte, die Fonds vollständig auszuzahlen. Erst als im Juni dieses Jahres auch das höchste US-Gericht – der Supreme Court – die Entscheidung Griesas bestätigte, erkannte man in Buenos Aires den Ernst der Lage.

Seither wird verzweifelt versucht über einen Mediator eine Lösung zu finden. Direkt wollen die Argentinier mit den „Aasgeiern“ weiterhin nicht verhandeln. Die Südamerikaner wollen dabei vor allem eine weitere Verschiebung der Zahlungsverpflichtung erwirken. Denn die Auszahlung der Hedgefonds ist nicht das wirkliche Problem, es geht dabei vielmehr darum, dass in diesem Fall dann die sogenannten „Right Upon Future Offers“-Klauseln schlagend würden. Diese wurden bei der Umschuldung eingesetzt, um zu verhindern, dass Argentinien einzelne Gläubiger besser behandelt.

Per Ende dieses Jahres würden diese zeitlich beschränkten Klauseln jedoch ablaufen, daher wäre eine Zahlung im Jahr 2015 möglich, argumentiert Argentinien. Bisher wurde dieses Begehren von der US-Justiz jedoch abgelehnt. Sie blockiert weiterhin die Auszahlung der Zinsen an jene Gläubiger, die der Umschuldung zugestimmt haben – weshalb ab 1. August der Default, also die Zahlungsunfähigkeit, eintritt.

In Argentinien selbst werden bereits Stimmen laut, wonach das Land sich erneut in den Staatsbankrott begeben und die Umschuldung in der Folge auf rechtlich neue Beine stellen sollte. In diesem Fall aber so ausgeführt, dass die US-Justiz nicht mehr eingreifen könne. (jaz/ag.)

AUF EINEN BLICK

Argentinien muss spätestens heute, Mittwoch, 539 Mio. Dollar an Anleihegläubiger zahlen – sonst droht der Staatsbankrott. Dies wird von einem US-Gericht jedoch verhindert, bis die Südamerikaner eine andere Gruppe von Investoren vollständig ausgezahlt haben. Das will Argentinien wiederum nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.07.2014)

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