Argentinien ist offziell zahlungsunfähig

Demonstranten in Buenos Aires halten einen Pleitegeier hoch.
Demonstranten in Buenos Aires halten einen Pleitegeier hoch.(c) Reuters (Enrique Marcarian)
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Die Verhandlungen zwischen der zweitgrößten südamerikanischen Wirtschaft und US-Hedgefonds sind gescheitert. Argentinien war bereits vor 13 Jahren in die Staatspleite geschlittert.

Argentinien ist nach gescheiterten Verhandlungen mit Gläubigern erneut in die Staatspleite geschlittert. Zwölf Jahre nach dem ersten Zahlungsausfall war es am Donnerstag wieder soweit: Das südamerikanische Land verweigerte im Rechtsstreit mit klagenden Hedgefonds in New York die fristgerechte Auszahlung von 1,33 Mrd. Dollar samt Zinsen.

Die Bonitätswächter von S&P reagierten prompt und erklärten das Land für pleite. S&P stufte die Anleihen des schuldengeplagten Staates als "partiellen Zahlungsausfall" ein. Zuvor war die Bonitätsnote mit "CCC-" bereits auf unterem Ramschniveau. Der "partielle Zahlungsausfall" bedeutet, dass ein Schuldner eine Anleihe, Kreditrate oder andere Verbindlichkeiten nicht fristgerecht zurückzahlt, aber andere Verpflichtungen weiter erfüllt.

Die globale Finanzwelt dürfte dies anders als 2002 jedoch nicht erschüttern, zumal Argentinien nach zwei Schuldenschnitten praktisch vom internationalen Kapitalmarkt abgekoppelt ist. Doch dem rezessionsgeplagten Land droht Ungemach: "Die Folgen der Insolvenz sind unvorhersehbar", prophezeite der vom Gericht bestellte Schlichter Daniel Pollack.

>> Große Staatspleiten in der Geschichte

"Automatik" greift

Obwohl die Hedgefonds nur eine kleine Gruppe der Gläubiger stellen, hat die gescheiterte Schlichtung weitreichende Folgen: Durch Anordnung des Richters Thomas Griesa dürfen vorerst alle übrigen Gläubiger nicht ausbezahlt werden, die bei Schuldenschnitten auf einen Großteil ihrer Forderungen verzichtet hatten. Wegen dieser "Automatik" wird das Land nun paradoxerweise als pleite eingestuft, obwohl es sich für zahlungsfähig hält.

Wirtschaftsminister Axel Kicillof verwies vor Reportern darauf, dass die fällige Zinszahlung für die Anleihenbesitzer geleistet worden sei, die den Schuldenschnitt akzeptiert hatten. Diese haben jedoch kein Geld gesehen. Die entsprechende Summe in Höhe von 539 Mio. Dollar (402,2 Mio. Euro) wurde auf Anordnung des New Yorker Richters auf dem Konto eines Treuhänders eingefroren.

Letzte Hoffnungen auf einen Kompromiss hatten sich in der Nacht auf Donnerstag zerschlagen. Ein Plan, die Pleite mithilfe privater Banken noch abzuwehren, misslang. Die von Argentinien als "Geierfonds" verspotteten Finanzhäuser hatten die nach US-Recht ausgegebenen Anleihen mit einem kräftigen Preisnachlass erworben, einen Schuldenschnitt verweigert und dann auf volle Auszahlung geklagt. Mit der Mehrzahl der Gläubiger hat sich Argentinien dagegen arrangiert.

Kaum Auswirkungen

Bei der Republik Österreich steht Argentinien mit einem "zweistelligen Millionen-Euro-Betrag" in der Kreide. Das sei ein sehr geringer Anteil an den gesamt 9,7 Mrd. Dollar des Pariser Clubs, in dem öffentliche Gläubiger bei Zahlungsproblemen eines Staates organisiert sind, sagte ein Sprecher der Österreichischen Kontrollbank (OeKB).

Die Auswirkungen der möglichen Staatspleite Argentiniens auf den österreichischen Export sind nach Angaben des Kreditversicherers Coface "vernachlässigbar". Der Export in das südamerikanische Land mache 0,1 Prozent der gesamten österreichischen Ausfuhren aus, so Coface-Sprecherin Susanne Krönes. 2013 lagen die Exporte bei 126 Mio. Euro.

Die US-Ratingagentur Standard & Poor's hatte die Kreditwürdigkeit Argentiniens schon vor Ende des Treffens auf "teilweisen Zahlungsausfall" ("Selective Default") herabgestuft. Es wurde erwartet, dass auch die Agenturen Fitch und Moody's dem Schritt folgen und das südamerikanische Land auf Default setzen. Allerdings handelt es sich dabei eher um eine technische Einstufung, die den Zugang Argentiniens zu den Kapitalmärkten erschweren dürfte. Die Auswirkungen auf das öffentliche Leben in dem Land werden als begrenzt eingeschätzt. Auch die Finanzmärkte dürften die aktuellen Entwicklungen kaum treffen, da Argentinien schon seit der Staatspleite im Jahr 2001 dort kein Geld mehr bekommt.

"Kein Default"

Kicillof wehrte sich gegen die Einstufung als Zahlungsausfall: "Das ist kein Default. Default ist, wenn einer nicht bezahlt. Und Argentinien hat gezahlt." Die Hedgefonds seien nicht bereit gewesen, auf die Angebote der argentinischen Regierung einzugehen, die eine Regelung nach dem Muster der 2005 und 2010 getroffenen Schuldenschnitt-Vereinbarungen vorschlug. "Sie wollen mehr (Geld), und sie wollen es jetzt", sagte der Minister in New York.

Argentinien werde weiter seine Schulden zahlen, betonte Kicillof. Aber sein Land werde keine Verpflichtungen eingehen, die die Zukunft des Landes sowie dessen Bürger gefährdeten und den milliardenschweren Schuldenschnitt-Vereinbarungen aus 2005 und 2010 mit der Mehrheit der Gläubiger in Gefahr brächten. Die Argentinier könnten beruhigt sein. "Morgen wird ein anderer Tag sein, und die Welt geht weiter."

Pollack warnte indes, die Folgen zu verharmlosen. "Default ist nicht bloß ein "technischer" Zustand, sondern ein ziemlich reales und schmerzvolles Ereignis, das (...) Menschen wehtun wird." Dies betreffe alle Argentinier, die Gläubiger, die dem Schuldenschnitt zugestimmt hätten und nun keine Zinsen erhielten, und die Gläubiger, die nun nicht die gerichtlich bestätigten Zahlungen bekämen.

Harte Haltung gegen Hedgefonds

Argentinien und die Hedgefonds, die sich nicht am Schuldenschnitt beteiligt haben, streiten über die Rückzahlung alter Anleiheschulden plus Zinsen. Solange Argentinien den Fonds NML Capital und Aurelius Forderungen über 1,5 Milliarden Dollar nicht bezahlt, darf es laut einem Richterspruch auch andere Anleihen nicht bedienen.

Die drittgrößte Wirtschaftsmacht Lateinamerikas will mit ihrer harten Haltung gegenüber den Hedgefonds weit Schlimmeres vermeiden. Denn wenn Buenos Aires in dem Streit nachgeben und die Forderung in voller Höhe begleichen würde, sieht sich Argentinien durch Vertragsklauseln verpflichtet, der übergroßen Mehrheit der Gläubiger dieselben Konditionen einzuräumen. Damit würden bis zu dreistellige Milliardenbeträge fällig und die Vereinbarungen für den Schuldenschnitt aus den Jahren 2005 und 2010 faktisch hinfällig. "Das kann nicht sein", betonte Kicillof. "Das wäre ein Horror für die Argentinier."

Sinkender Lebensstandard droht

Ob die drittgrößte Volkswirtschaft Lateinamerikas im Schuldenstreit ohne Blessuren davonkommen wird, bleibt offen. Das Land hat mit geschätzten 30 Prozent eine der höchsten Inflationsraten der Welt und könnte noch tiefer in die Rezession rutschen, womit auch der Lebensstandard der Argentinier weiter sinken dürfte. Durch den Makel der Zahlungsunfähigkeit dürften zudem Investoren abgeschreckt und die Landeswährung Peso ins Trudeln geraten.

Die Argentinier, die auf die Pleite Anfang des Jahrhunderts mit Unruhen und einem Ansturm auf die Banken reagiert hatten, hoffen dennoch auf ein glimpfliches Ende: "Wir waren schon einmal in der Klemme und werden es wieder durchstehen", sagte ein 27-jähriger Angestellter einer Automobilfirma trotzig. Auch der Staat ist nicht so finanzschwach wie damals, da er Devisenreserven in Höhe von 29 Mrd. Dollar angehäuft hat. Die Regierung kann sich allein damit noch rund fünf Monate über Wasser halten.

Argentinien

Die hinter Brasilien zweitgrößte Volkswirtschaft Südamerikas kam 2103 mit 41,5 Millionen Einwohnern auf eine Wirtschaftsleistung von 488 Mrd. Dollar (364,15 Mrd. Euro. Das Land exportierte zuletzt Waren für 81,7 Mrd. Dollar und importierte für 73,7 Mrd..
Argentinien hat schon mehrere Staatspleiten hinter sich, die erste war 1828, die bisher größte 2001. Die Staatsschuld mit privaten Gläubigern entspricht heute nur 12,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes.

(APA)

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