Shinzo Abes Popularität verpufft

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JAPAN DIPLOMACY(c) APA/EPA/SEBASTIAN SILVA (SEBASTIAN SILVA)
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Premierminister Shinzo Abe spürt erstmals in seiner Amtszeit Gegenwind. Die Wiederinbetriebnahme von AKW ist unbeliebt, die Wirtschaftsreformen lassen auf Ergebnisse warten.

Tokio. Seit Shinzo Abe Ende Dezember 2012 sein Amt als Premierminister antrat, hat er als so etwas wie allmächtig gegolten. Seine wichtigste Rivalin, die Demokratische Partei, war bei den Unterhauswahlen dezimiert worden, Abes Liberaldemokratische Partei (LDP), die seit der Nachkriegszeit ohnehin fast immer regiert hatte, schien ohne richtige Opposition. Schnell setzte der neue Premier quasi eigenhändig einen ihm handzahmen Zentralbanker ein und verabschiedete Gesetze ohne große Rücksprache mit dem Parlament. Im Sommer 2013 gewann die LDP auch die Wahlen im Oberhaus deutlich. Shinzo Abe war ohne Gegenwehr.

Jetzt kommen zum ersten Mal ernste Zweifel an dieser Bewertung auf. Der immer adrett auftretende Premier, der kaum Möglichkeiten zur Selbstinszenierung ungenutzt lässt, stößt auf bisher ungekannten Widerstand. Erstmals seit Amtsantritt sind laut Umfragen weniger als die Hälfte der Japaner mit der Arbeit seiner Regierung zufrieden. Und bei einer Gouverneurswahl in der Präfektur Shiga Mitte Juli gewann überraschend nicht der Kandidat der LDP, sondern Taizo Mikazuki, der Vertreter der Demokratischen Partei.

Nur Abes Partei für Atomkraft

Shigas neuer Gouverneur, Taizo Mikazuki, hatte seinen Wahlkampf mit einer Anti-Atom-Plattform geführt, in Opposition zu Shinzo Abes unbeirrbarem Willen, möglichst viele der 48, seit mehr als drei Jahren abgeschalteten Atomreaktoren wieder hochzufahren. Seit der dreifachen Kernschmelze von Fukushima im März 2011 ist die Mehrheit der Japaner gegen die Kernkraft, Abes LDP ist die einzige Partei, die keine Alternative zu dieser Energiequelle sieht.

Ihr Argument: die Strompreise sind seit der Katastrophe erheblich gestiegen, weil Japan nun mehr fossile Brennstoffe aus dem Mittleren Osten importieren muss. Mit daheim generierter Atomkraft, sagen Abe und die Energiekonzerne, wäre Strom billiger, die Energieversorgung gesichert. Zudem ortet die Regierung in einer Fortsetzung der japanischen Kernkraft Exportchancen für heimische Kraftwerksbauer, die Shinzo Abe seit Amtsantritt unermüdlich auf diversen Auslandsreisen anpreist.

Behörde für AKW-Einschaltung

Mitte Juli befand die Atomaufsichtsbehörde schließlich, dass zunächst zwei Reaktoren im Südwesten des Landes die seit 2011 verschärften Sicherheitsstandards für eine erneute Inbetriebnahme erfüllen. Der Beschluss ist ein wichtiger Schritt für ein Wiederaufleben der Atomkraft in Japan. In Tokio und anderswo im Land war deshalb mehrmals dagegen protestiert worden.

Der Unmut vieler Japaner verstärkt sich zudem dadurch, dass Premier Abe gegen die mehrheitliche Meinung in der Bevölkerung ein zentrales Element der Verfassung neu interpretieren lässt. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs enthält das Papier einen Artikel, der Japan jede Kriegsführung verbietet. Nachdem der Premier zuvor bei seinem Vorhaben einer gänzlichen Umschreibung des Artikels am Widerstand seines buddhistischen Koalitionspartners, New Komeito, gescheitert war, entschloss er schließlich, den Artikel einfach anders zu interpretieren. Seit Juli ist die Marschroute nun, dass Japans Selbstverteidigungskräfte, die offiziell noch immer nicht Militär heißen, Partnerländer militärisch unterstützen dürfen, wenn diese bedroht werden. Japan darf künftig auch Rüstungsprodukte exportieren. Auch hiergegen wurde über Wochen demonstriert.

Dass sich viele Japaner erst jetzt von der Regierung abwenden, obwohl deren Positionen nie ein Geheimnis waren, liegt auch daran, dass Shinzo Abe vor allem mit einem anderen Auftrag gewählt worden war. Laut Umfragen war es den meisten Japanern denn am wichtigsten, dass nach rund zwei Jahrzehnten Stagnation die japanische Wirtschaft endlich wieder wachsen würde.

Preise steigen, Löhne nicht

Abes Vorhaben aus hohen Staatsausgaben, einer lockeren Geldpolitik und wachstumsorientierten Strukturreformen, mittlerweile bekannt als „Abenomics“, wurde viel zugetraut. Nur hat die Mehrheit der Bevölkerung vom jüngst erzeugten Wachstum noch nicht profitiert: Die erwünschte Inflation von zwei Prozent könnte bald erreicht sein, auch die Wachstumsraten lagen zuletzt wieder höher.

Aber die Löhne sind bisher nicht gestiegen, was bei steigenden Preisen mit einer sinkenden Kaufkraft einhergeht. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer im Frühling von fünf auf acht Prozent, und im nächsten Jahr auf zehn Prozent, hat zusätzlich für Unmut gesorgt.

An ihrer Linie will die Regierung trotzdem festhalten. Kabinettssekretär Yoshihide Suga erklärte zuletzt: „Die Politik der Wiederinbetriebnahme der Atomreaktoren nach der Freigabe durch die Aufsichtsbehörde bleibt unverändert.“ Und von „Abenomics“ erwartet man sich, dass bald auch die Löhne steigen. Oder dass die Opposition auch bis zu den nächsten Unterhauswahlen 2016 keinen überzeugenden Kandidaten gefunden hat.

AUF EINEN BLICK

Japans Premier Shinzo Abe befindet sich in seinem ersten Umfragetief. Grund ist seine Wirtschaftspolitik. So will Abe die seit Fukushima abgestellten AKW so weit wie möglich wieder anschalten. Dies, obwohl die Japaner seither sehr atomkraftkritisch sind. Andererseits kommen seine Wirtschaftsreformen bei den Menschen noch nicht an. Die Preise steigen, die Löhne aber nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2014)

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