Wirtschaftskrise: Griechenlands zähes Comeback

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Europas Schuldensorgenkind steht vor dem Ende der Rezession, der Tourismus boomt, die Banken sind genesen. Aber die Wende ist brüchig: Viele Strukturreformen stehen noch aus.

Athen. Griechenland strahlt: Die Sonne kehrt, nach einem relativ verregneten Frühjahr, wieder zurück, und mit der Sonne kommen Millionen Touristen. Sie lassen die Staatskassen klingeln und damit sogar den leidgeprüften griechischen Finanzminister strahlen – es ist kein Zufall, dass die guten wirtschaftlichen Nachrichten, wie schon vergangenes Jahr, mit der Sommersaison zusammenfallen.

Gemeint sind nicht die Erfolge bei der Eindämmung der Defizite, die Schlankheitskuren von Kassen. Nein, diesmal geht es um die reale Wirtschaftsleistung des Landes, das Ende der rekordverdächtigen Rezession, die noch 2013 bei minus 3,9 Prozent gelegen ist. Nach Ansicht führender Analysten wird in den kommenden Tagen die große Wende verkündet werden: Griechenland dürfte im zweiten Quartal, das heißt in den Monaten April bis Juni, zum Wachstum zurückgekehrt sein. Daran hat sicherlich der Tourismus einen hohen Anteil, er steht für etwa 15 Prozent der Wirtschaftsleistung. Nicht zuletzt die guten Preise, vor allem bei Pauschalreisen, machen Griechenland attraktiv, nicht nur für Deutsche, Briten und andere Europäer, auch für den Rest der Welt.

Doch es gibt noch andere deutliche Anzeichen für ein Ende des Albtraums: Der private Konsum stabilisierte sich in den ersten Monaten 2014, sogar Autos werden wieder gekauft. Die griechischen Banken haben ihre Refinanzierung – mit europäischem Geld – abgeschlossen. Im zweiten Halbjahr werden sie wohl williger als noch Anfang des Jahres sein, Kredite an die Privatwirtschaft zu vergeben, die auf frisches Geld wie auf ein Stück Brot wartet. Und wenn die Unternehmen wieder Geld haben, dann können sie investieren, neues Personal einstellen – und damit helfen, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren.

Unüberwindliche Widerstände

Die Zeichen stehen also günstig. Aber die verbesserten Zahlen könnten täuschen. Die Wirtschaft lebt vor allem von den Dienstleistungen wie vom Tourismus, den Reedern, dem Handel. Die exportorientierten Industrien, wie Lebensmittel- oder Metallindustrie, sind im Vergleich zu klein, hohe Steuern und schwerfällige Verwaltung machen ihr zu schaffen. Die Betriebe haben oft zu geringe Kapazitäten für den internationalen Markt, Branding und Marketing können sich mit europäischen Standards im Normalfall nicht messen. Die Kürzung von Gehältern und Pensionen fiel dem politischen Personal relativ leicht, die Gewerkschaften waren zu zersplittert, um wirksam Widerstand zu leisten. Doch wo es um Strukturreformen geht, da gibt es oft unüberwindliche Widerstände, das ist in der Wirtschaft zu sehen, aber auch dort, wo es um die organisierten Interessen privilegierter Berufe geht, wie etwa der Ärzte, der Apotheker, der (Hochschul-)Lehrer.

Auf ebendiese Widerstände scheint zurzeit auch die griechische Koalitionsregierung aus Konservativen und Sozialisten unter Ministerpräsident Antonis Samaras zu stoßen. Bei den Europawahlen im Mai lag die radikale Linksopposition von Syriza unter Alexis Tsipras vier Prozentpunkte vor den Konservativen, auch im Parlament hat die Koalition eine brüchige Mehrheit von 152 der insgesamt 300 Sitze. Was der Europawahl folgte, war eine Regierungsumbildung, die viele Reformer enttäuschte. Neben einigen „Europäern“ wurden vor allem wortgewaltige Populisten in Ministerämter gehievt.

Fast hatte es den Anschein, als bereite sich Samaras bereits auf die nächsten Wahlen vor. Diese drohen im kommenden Frühjahr, wenn das Parlament einen neuen Staatspräsidenten wählen muss. Dazu ist eine verstärkte Mehrheit von 180 Stimmen nötig – andernfalls muss gewählt werden. Das könnte zu politischen Turbulenzen führen, die den zerbrechlichen wirtschaftlichen Aufschwung gefährden.

Weitere Infos:www.diepresse.com/griechenland

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2014)

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