Juristen des Deutschen Bundestags kommen zu dem Schluss, dass die geplante Pkw-Maut gegen EU-Recht verstößt. Und zwar in mehrfacher Hinsicht.
Berlin. Das Gutachten umfasst 23 Seiten, wurde vom Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestags verfasst – und ist Wasser auf die Mühlen nicht deutscher Autofahrer. Die Expertise kommt nämlich zu folgendem Schluss: Die Pläne des deutschen CSU-Verkehrsministers Alexander Dobrindt für eine Pkw-Maut verstoßen gegen EU-Recht. Dobrindts Konzept würde gleich mehrfach zu einer „mittelbaren Diskriminierung von Unionsbürgern“ führen.
Wie berichtet, will der deutsche Verkehrsminister eine Vignettenpflicht auf allen deutschen Straßen einführen. Unter dem Strich sollen die Mehreinnahmen aber nur von ausländischen Fahrern kommen. Deutsche Autobesitzer sollen voll über die Kfz-Steuer entlastet werden. Zwar soll die Steuererleichterung formal getrennt beschlossen werden, doch „müssen beide Maßnahmen zusammen betrachtet“ werden, schreiben die Bundestagsjuristen.
Das Gutachten war vom SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Fechner in Auftrag gegeben worden. Über den Inhalt der Rechtsstudie hatten am Sonntag „Der Spiegel“ sowie die „Bild am Sonntag“ einhellig berichtet.
Bures verspürt Rückenwind
SP-Verkehrsministerin Doris Bures sieht sich durch das deutsche Gutachten bestätigt. "Ich werde nicht zulassen, dass österreichische Autofahrerinnen und Autofahrer diskriminiert werden", heißt es in einer Stellungnahme der Ministerin am Montag. "Die deutschen Mautpläne verstoßen klar gegen das Unionsrecht." Die Ergebnisse des Gutachtens des Wissenschaftlichen Dienstes des deutschen Bundestags decken sich weitestgehend mit den Ergebnissen des von Bures in Auftrag gegebenen Gutachtens von Europarechtsexperten Walter Obwexer von der Universität Innsbruck.
Beide Gutachten kommen zum Schluss, dass ausländische Autofahrer durch die deutschen Mautpläne in mehrfacher Hinsicht diskriminiert werden würden. Insbesondere die Einführung der Vignette mit der gleichzeitigen Steuerentlastung deutscher Lenker führe letztlich dazu, dass deutsche Autofahrer von der Maut ausgenommen sind. "Dies ist mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zu vereinbaren und dagegen werde ich weiter mit allen Mitteln kämpfen. Es geht dabei um Fairness und Gerechtigkeit - beides ist für mich nicht verhandelbar", so Bures.
Mehrfache Diskriminierung
Interessant an dem Gutachten ist, dass die Experten allerdings nicht nur in der Koppelung von Maut und Kfz-Steuer eine Diskriminierung anderer EU-Bürger sehen. Sondern auch die geplante Struktur der Vignettenpreise würde ihrer Untersuchung zufolge gegen EU-Recht verstoßen.
Dies deshalb, weil die Preise für deutsche Jahresvignetten für inländische Autos nach Umweltfreundlichkeit, Hubraum und Zulassungsjahr gestaffelt sein sollen. Für ausländische Wagen ist dies allerdings nicht vorgesehen. Das führe dazu, dass ein ausländischer Fahrer eines Benzinfahrzeugs einheitlich 103,04 Euro zu zahlen habe. Der Halter beispielsweise eines in Deutschland zugelassenen VW Polo 1.2 TSI aber nur 24 Euro – um die dann auch noch die Kfz-Steuer sinke. „Das Vorenthalten einer nach bestimmten Kriterien gestaffelten Beitragshöhe führt zu einer ungleichen Behandlung von inländischen und ausländischen Kfz-Haltern und damit zu einer mittelbaren Diskriminierung“, heißt es in dem Gutachten.
Außerdem bemängeln die Experten des Bundestags, dass mit Dobrindts Pkw-Maut-Konzept ausländische Verkehrsunternehmen wie zum Beispiel Kurierdienste finanziell stärker belastet würden als inländische. Sie werten dies als Verstoß gegen den Vertrag über die Arbeitsweise der EU und gegen ein entsprechendes Verbot des Europäischen Gerichtshofs.
Kritische Stimmen
Kritik an der geplanten Maut hatte es noch am Wochenende vom Vorstandsvorsitzenden des Daimler-Konzerns, Dieter Zetsche, gegeben. „Die Pkw-Maut halte ich eher für populistisch als für rational nachvollziehbar“, sagte der Manager. Er verstehe zwar den Ärger über die Maut in deutschen Nachbarländern. „Aber hier Gleiches mit Gleichem zu vergelten ist falsch. Wenn überhaupt, brauchen wir eine europäische Lösung.“ Von einer „selektiven Maut in Deutschland sollten wir lieber die Finger lassen“, so Zetsche.
Schon vor Wochen hatte Österreichs SPÖ-Verkehrsministerin Doris Bures das Dobrindt-Projekt als Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz kritisiert. Sie hatte angekündigt, notfalls auch rechtlich gegen die deutsche Maut vorgehen zu wollen. (ag.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2014)