Schuldenstreit: Argentinien zerrt die USA vor Gericht

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Da man die als „Aasgeier“ verschrienen US-Hedgefonds nicht auszahlen will, hat Buenos Aires jetzt die Vereinigten Staaten in Den Haag verklagt – und gewinnt damit Zeit.

Buenos Aires/New York. Es klingt wie ein Scherz, aber die argentinische Regierung meint das todernst: Sie hat die Vereinigten Staaten vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag verklagt, nachdem US-Hedgefonds das Land im Streit um ausstehende Schulden in den technischen Staatsbankrott getrieben haben.

Dabei dreht sich der Konflikt mit den US-Hedgefonds um „nur“ 1,5 Mrd. Dollar (1,12 Mrd. Euro). Das Problem: Ein US-Gericht hat dem Land verboten, Zinsen an andere Gläubiger zu zahlen, solange es den Hedgefonds noch Geld schuldet. Diese halten zwar Anleihen des Landes, weigern sich aber, den zuletzt 2010 zwischen Argentinien und seinen Gläubigern abgesprochenen Schuldenschnitt mitzumachen.

Dieser wurde notwendig, da Argentinien 2001 schon einmal zahlungsunfähig gewesen war. Die daraufhin erfolgten Schuldenschnitte sollten das Land wieder auf den Weg in Richtung guter Bonität führen – aber die US-Hedgefonds bedrohen den Langzeitplan. Denn wenn Buenos Aires ihren Forderungen nachgibt, könnten auch andere Gläubiger vom Schuldenschnitt zurücktreten – und auf Argentinien würden Forderungen in der Höhe von mehreren hundert Milliarden Dollar zurollen.

Mit ihrer umstrittenen Strategie fahren die Hedgefonds NML Capital und Aurelius in der Regel hohe Renditen ein. Buenos Aires beschimpft NML Capital und Aurelius als „Geierfonds“ und verweigert deshalb die Zahlung der geforderten Summe.

Die Staatskassa wäre zwar ausreichend gefüllt, um die Schulden zu begleichen. Aber Argentiniens Regierung hat sich aus strategischen Gründen dagegen entschieden. Da das Land nun wegen der Richtersprüche nicht mehr all seine Gläubiger bedienen kann, haben die großen Ratingagenturen Standard & Poor's und Fitch es als Pleitefall eingestuft.

Jetzt also der nächste Schritt Argentiniens: die Klage in Den Haag. Argentinien sieht seine staatliche Souveränität durch Urteile von US-Richtern zugunsten der Hedgefonds verletzt.  Der Internationale Gerichtshof in Den Haag bestätigte den Eingang des argentinischen Verfahrensantrags.

Schlecht für das Image

Die USA müssen das Gericht in dem Fall theoretisch als Schlichter akzeptieren. Der Gerichtshof ist eine Institution der Vereinten Nationen, die bei Auseinandersetzungen zwischen Ländern eingeschaltet werden kann. Praktisch müssen aber alle beteiligten Parteien die Zuständigkeit anerkennen – ob ein Urteil also Wirkung entfaltet, ist unklar. Es ist aber gar nicht sicher, dass Argentinien sich wirklich für eine Verurteilung interessiert.

Vielmehr dürfte es darum gehen, Zeit zu schinden.  Ende 2014 läuft die Klausel aus, die es den anderen Gläubigern ermöglicht, ihr Einverständnis zum Schuldenschnitt zurückzuziehen, sollte Argentinien auch nur einem Geldgeber die volle Summe plus Zinsen zahlen (was die Hedgefonds ja verlangen). Dann könnte Buenos Aires sich mit den Hedgefonds einigen. Fraglich ist aber, warum eine Einigung nicht schon früher erzielt wurde – und ohne große Medienaufmerksamkeit.

Für das Image des Landes ist die Meldung vom zweiten technischen Staatsbankrott binnen 15 Jahren nicht positiv. Auch das könnte ein Grund für den Gang nach Den Haag sein: Sollte Argentinien dort recht bekommen, kann die Regierung weiter mit dem Finger auf die Hedgefonds zeigen und bei den Wählern Punkte sammeln. (ag./jil)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2014)

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