Analyse: Das Ende der Dollar-Hegemonie

(c) REUTERS (RIA Novosti)
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Jetzt haben auch China und Russland ein Währungsabkommen geschlossen. Die Grundlagen für ein Währungssystem, dessen Sonne nicht mehr der Dollar ist, sind gelegt.

Wien/Peking/Moskau/Washington. Gibt es für die Weltwirtschaft ein Leben nach dem US-Dollar? Jahrzehntelang wurde diese Frage reflexartig mit Nein beantwortet – und zwar zu Recht. Die US-Währung hat sich im Laufe des 20. Jahrhunderts als Weltwährung festgesetzt. Aber seit Richard Nixon 1971 die Dollar-Konvertabilität in Gold „vorübergehend“ suspendierte, verliert der Dollar an Boden.

Ein Trend, der sich spätestens seit der Finanzkrise von 2008 merklich beschleunigt. Jetzt haben auch China und Russland ein Währungsabkommen geschlossen, das die Nutzung der jeweiligen Landeswährungen (Rubel und Renminbi/Yuan) im gegenseitigen Handel erhöhen soll. Das Ziel des sino-russischen Plans ist klar: die Postdollarökonomie – eine neue Weltordnung, in deren Zentrum nicht mehr die Vereinigten Staaten allein stehen. Aber der Zeitplan ist offen.

Jahrzehntelang keine Dollar-Alternative

Die Nachrichtenagentur Itar-Tass und der Kremlsender Russia Today berichteten am Wochenende vom Währungsabkommen zwischen Russland und China – unter Berufung auf die russische Zentralbank. Dass die beiden Länder in wirtschaftlichen Dingen näher zusammenrücken, ist kein Geheimnis, haben sie doch erst im Mai einen Gasvertrag geschlossen, den Wladimir Putin als den „größten Vertrag in der Geschichte des Gassektors der ehemaligen Sowjetunion“ bezeichnet hat. Volumen des Handels: 400 Mrd. Dollar.

Details zum Währungsabkommen wollen die Zentralbanken noch keine bekannt geben – weder der Zeitpunkt der Implementierung noch das Volumen ist bekannt. Es dürfte aber eines der letzten großen Abkommen sein, die Peking für die wachsende internationale Akzeptanz seiner Währung Renminbi benötigt. Bisher werden rund 75 Prozent des Handels zwischen den beiden Staaten in Dollar abgewickelt – ein Zustand, der nicht nur Peking und Moskau sauer aufstößt.

Im Grunde ist das heute bestehende Währungssystem ein Relikt aus der Nachkriegszeit. 1944 wurde der Dollar im System von Bretton Woods zur offiziellen Reservewährung gemacht, in der bis heute der Großteil des internationalen Öl- und Rohstoffhandels abgewickelt wird. Das änderte sich auch nach dem Ende von Bretton Woods 1971 nicht – auch weil es keine Alternative zum Dollar gab. Keine Währung war vertrauenswürdig und groß genug, um den Dollar im internationalen Handel zu ersetzen. Das brachte den USA einen großen Vorteil.

Sie konnten die Dollar-Geldmenge praktisch nach Belieben ausweiten, weil die Zentralbanken im Rest der Welt die überschüssigen Dollar mit frisch gedruckter eigener Währung aufkaufen mussten, um konkurrenzfähig zu bleiben und Reserven aufzubauen. Diese Zentralbanken bunkern aber freilich kein Cash – sondern investierten in US-Schuldtitel.

Für Washington eine Win-win-Situation, deren Ende sich aber schon seit der Einführung des Euro abzeichnet. Die europäische Gemeinschaftswährung macht inzwischen rund 25 Prozent der Währungsreserven aus – der Dollar steht bei 60 Prozent. Laut der britischen Bank Standard Chartered haben 40 internationale Zentralbanken inzwischen auch Renminbi-Reserven angelegt. Dazu kommt, dass praktisch alle Länder in Asien in den vergangenen Jahren ihre Goldreserven stark aufgestockt haben. Gegenüber der ewigen Währung aus Metall hat der US-Dollar seit 1999 mehr als 80 Prozent seines Werts verloren.

Washington kann nur verzögern

China hat längst ähnliche Währungsabkommen mit Japan, Südkorea, Brasilien und Argentinien geschlossen – aber auch mit London, Paris, Frankfurt und Zürich. Die Aktivierung des Abkommens mit Russland ist aber nur eine Frage der Zeit. Seit der Krise von 2008 nimmt die sogenannte Entdollarisierung in jedem Fall deutlich Fahrt auf.

Waren es früher nur Despoten wie Saddam Hussein oder Hugo Chávez, die sich offen gegen den Dollar stellten – so sind es heute Spitzen aus Europa und Vertreter der BRICS. In Europa rief zuletzt besonders Frankreich deutlich nach einem Ende der Dollar-Hegemonie in der Weltwirtschaft. Es scheint, als könne Washington diesen Trend immer wieder verzögern – seinen Fortschritt aber nicht verhindern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2014)

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