Amazon gegen den Rest der Welt

Amazon CEO Jeff Bezos discusses his company´s new Fire smartphone in Seattle, Washington
Amazon CEO Jeff Bezos discusses his company´s new Fire smartphone in Seattle, Washington(c) REUTERS (JASON REDMOND)
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Amazon greift bei Preisverhandlungen mit seinen Lieferanten schon länger zu harten Mitteln. Sein neuester Gegner heißt Walt Disney.

Seattle. Amazon sorgte diese Woche gleich mehrfach für Schlagzeilen. Zunächst war da die Sache mit Disney. In den USA verschwanden kurzerhand alle DVDs und Blu-rays von Disney aus dem Angebot von Amazon, die im Lauf der nächsten Monate erscheinen werden und die Amazon-Kunden vorbestellen konnten. Darunter „Maleficent“, der neue Streifen mit Angelina Jolie in der Rolle der bösen Fee, und „The Return of the Avengers“ von Marvel, einer Produktionsfirma, die ebenfalls zum weitverzweigten Imperium des Disney-Konzerns gehört. Damit man die US-Kunden nicht allzu sehr vergrämte, blieben immerhin die Download-Möglichkeiten für diese Filme (ebenfalls als Pre-Order-Optionen) erhalten.
Dennoch zeigt dieses Beispiel, dass Amazon bereit ist, seinen Kunden Unannehmlichkeiten zu bereiten, um einem seiner mächtigsten Lieferanten einen Schrecken einzujagen. Amazon will bei Disney – wie schon beim US-Großverlag Hachette und mutmaßlich etlichen anderen Lieferanten– höhere Rabatte auf die Verkaufspreise herausschlagen (siehe Artikel rechts). Diese sind in den Vereinigten Staaten bei Vorbestellungen traditionell höher als nach dem Erscheinen von DVDs oder Büchern. Auch auf amazon.de findet man Beispiele für diese Preispolitik.

Gratisversand wird eingeschränkt


Während die Aussicht auf gesunkene DVD- und Buchpreise die Amazon-Kunden freuen dürfte, gibt es für diese auch eine unerfreuliche Meldung: Amazon hebt nach mehr als einem Jahrzehnt den Mindestbetrag für den Gratisversand von Bestellungen nach Österreich an. Allerdings hieß es am Freitag aus Verlagskreisen, dass das für den Versand von Büchern nicht gelten soll. Amazon verfolgt damit das Ziel, sein Bezahlangebot „Prime“ attraktiver zu machen, in dem für eine Jahresgebühr der Gratisversand sowie ein Videostreaming-Dienst inbegriffen sind. Im Abogeschäft mit der Übertragung von Filmen und TV-Serien aus dem Internet bekommt Amazon nämlich bald auch in Europa Gegenwind: Im September will der US-Platzhirsch Netflix neben anderen Ländern auch in Deutschland und Österreich an den Start gehen.
Wer bei Amazon bestellt, muss also bald mehr ausgeben, um gratis beliefert zu werden. Und die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass diese Lieferungen bald aus Polen kommen werden. Amazon will nämlich künftig 40 Prozent seines Versands deutschsprachiger Bücher über Auslieferungslager in Polen und der Tschechischen Republik abwickeln, wie der Konzern diese Woche bekannt gab. In den drei neuen polnischen Versandlagern will Amazon um die 12.000 Mitarbeiter einstellen und vielleicht so bald den leidigen Auseinandersetzungen mit den deutschen Gewerkschaften um bessere Tarifverträge – deshalb gab es mehrfach Streiks in Bad Hersfeld und Leipzig – ein Ende bereiten. Schließen wolle man zwar keines der deutschen Logistikzentren, aber es stimme, bestätigte ein Amazon-Konzernsprecher, dass Verlage bereits gebeten worden seien, ihre Lieferungen für Deutschland und Österreich künftig in eines der Zentren in Posen oder Breslau bringen zu lassen. Die Kosten dafür müssen die Verlage selbst tragen.
Dadurch kann Amazon auf dem deutschsprachigen Markt, wo dem Preisdumping durch die Buchpreisbindung klare Grenzen gesetzt sind, die Kosten drücken.

Jeff Bezos unter Zugzwang


All dies deutet darauf hin, dass Amazon-Chef Jeff Bezos offenbar beschlossen hat, dass seinem Konzern schlechte PR wenig anhaben kann – den Kunden ist Bequemlichkeit und ihre eigene Geldbörse eben letztlich doch näher als moralische Bedenken. Die wachsende Marktmacht Amazons hat dessen Verhandlungsposition gegenüber Lieferanten – auch so mächtigen wie dem Disney-Konzern – derart verbessert, dass man sich traut, harsche Druckmittel einzusetzen.
Doch so entspannt ist die Position Amazons nicht. Vielmehr ist es so, dass Bezos seine Aktionäre und Investoren im Nacken sitzen. Im zweiten Quartal 2014 erlitt Amazon nämlich einen Rekordverlust von 126 Mio. Dollar. Damit wird es für Bezos zunehmend schwierig, seine rein auf Wachstum und immer mehr Marktanteile ausgerichtete Strategie zu rechtfertigen. Er scheint nun wild entschlossen, an allen Schrauben zu drehen, damit sich zur Marktmacht endlich auch Gewinn gesellt.

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