Konjunktur: Kreditnachfrage sinkt erneut

(c) REUTERS (RALPH ORLOWSKI)
  • Drucken

Eine Liquiditätsspritze der EZB, mit der die Kreditvergabe der Banken angekurbelt werden soll, wird wegen der düsterer gewordenen Wirtschaftsaussichten nicht ausgeschöpft.

Frankfurt. Das vom Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, versprochene billige Geld für Banken, die auf eine Euroraum-Erholung setzen, verliert wegen der zuletzt eingetretenen konjunkturellen Eintrübung zunehmend an Attraktivität. Darauf deutet zumindest eine monatlich von der Finanzagentur Bloomberg durchgeführte Umfrage unter Ökonomen hin: Die Wirtschaftsexperten haben ihre Schätzungen für die Inanspruchnahme des Programms, das die Bankenkreditvergabe ankurbeln soll, deutlich gesenkt.

Die niedrigeren Erwartungen spiegeln Bedenken wider, dass die konjunkturellen Aussichten für die Währungsunion zu schwach sein könnten, um die Kreditnachfrage anzuschieben. Diese Entwicklung könnte ein Programm untergraben, das nach Aussage des EZB-Präsidenten ein Schlüsselfaktor für die Erholung im Euroraum sein werde.
Die zunehmenden Spannungen mit Russland drohen die Aussichten für die Euroraum-Wirtschaft zu verschlechtern. Das Wachstum ist bereits sichtbar ins Stocken geraten, und die Inflation hat sich auf den niedrigsten Wert seit fünf Jahren abgeschwächt.

Damit nimmt der Druck auf die EZB zu, weitere konjunkturbelebende Maßnahmen in Form von radikalen Instrumenten wie einer quantitativen Lockerung (QE, Quantitative Easing) nach US-Vorbild zu ergreifen, um das Risiko einer Deflation und einer erneuten Rezession abzuwenden.

„Der nächste Schritt besteht darin zu sehen, wie hoch die Nachfrage nach Liquidität ist“, sagte Peter Dixon, Analyst bei der Commerzbank in London. „Wenn sie erheblich hinter den Erwartungen zurückbleibt, dann muss die EZB wohl die Lage überdenken und die QE-Debatte erneut anfachen.“

Analysten erwarten, dass Banken bei den zielgerichteten längerfristigen Refinanzierungsgeschäften im Rahmen des sogenannten TLTRO-Programms 650 Mrd. Euro in Anspruch nehmen werden. In der Umfrage im Vormonat waren sie noch von 710 Mrd. Euro ausgegangen.

Optimismus geht zurück

Draghi hatte im Juli gesagt, dass mit dem TLTRO-Programm bis zu eine Billion Euro in das Finanzsystem gepumpt werden könnte. Am 7. August erklärte der EZB-Präsident dagegen, dass Marktschätzungen und Indikationen einzelner Banken auf eine Inanspruchnahme zwischen 450 Mrd. Euro und 850 Mrd. Euro hinwiesen. Die Volkswirte haben in der Bloomberg-Umfrage zudem ihre Schätzungen für spätere TLTRO-Offerten nach unten korrigiert. Sie rechnen nun nur noch mit einer Inanspruchnahme von 293 Mrd. Euro, verglichen mit 350 Mrd. Euro im vergangenen Monat.

Auch zeigten sich die Umfrageteilnehmer weniger optimistisch als vor einem Monat bezüglich der Aussichten für den Euroraum. Mehr als ein Viertel der Befragten erwartet eine Verschlechterung der Wirtschaftslage in den nächsten vier Wochen, im Juli waren es lediglich zehn Prozent. Fast die Hälfte bezeichnete unzureichende Strukturreformen als größtes Risiko, 39 Prozent nannten die Ukraine.

In der vergangenen Woche veröffentlichte Daten zeigten, dass die Erholung im Euroraum im zweiten Quartal überraschend ins Stocken geraten ist. In Deutschland fiel die Schrumpfung des Bruttoinlandsprodukts stärker aus als erwartet, und Italien rutschte in die dritte Rezession seit 2008 ab.

Draghi hat die Staaten zur Umsetzung von Strukturreformen aufgefordert und betont, dass Länder, die dies getan haben, sich rascher erholten. Freilich sieht auch der EZB-Chef, dass die erhöhten geopolitischen Risken das Potenzial haben, die Wirtschaftslage negativ zu beeinflussen. (Bloomberg/red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.08.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.