Eurozone: Anleihen europaweit auf Rekordtief

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Zu viele Krisen zur gleichen Zeit lassen Investoren in europäische Staatsanleihen flüchten. Denn Sicherheit ist in schlechten Zeiten immer Trumpf bei der Geldanlage.

Wien. Anleihen aus der Eurozone sind bei Investoren derzeit hoch im Kurs. Am gestrigen Donnerstag gingen die Renditen für zehnjährige Staatsanleihen quer über den Kontinent hinweg zurück. Das heißt, dass die Staaten weniger Geld für die Rückzahlung ihrer Schulden in die Hand nehmen müssen. Und Investoren auf der anderen Seite viel Geld für die Aussicht auf geringe Zinsgewinne zahlen. Denn wenn die Rendite einer Anleihe sinkt, dann steigt ihr Kurs. Das heißt aber auch, dass es teurer wird, sich in diesen Markt einzukaufen.

Viele Länder in der Eurozone sind mit ihren Anleiherenditen mittlerweile auf historischen Tiefständen angelangt. So sind nicht nur die Zinsen für zehnjährige österreichische Staatsanleihen auf 1,25 Prozent gesunken, auch in Finnland, Belgien oder den Niederlanden ging es munter bergab. Deutschland, das in dem Bereich als das sicherste Land der Eurozone gilt, kann sich derzeit überhaupt zu der niedrigen Rekordrendite von 0,99 Prozent verschulden. Am 19. August, also vor wenigen Tagen, rutschte das Zinsniveau in der Bundesrepublik überhaupt erstmals unter das Ein-Prozent-Niveau.

Die Gründe für die Flucht in die von den Ländern garantierten Schuldverschreibungen sind vielfältig. Sechs Jahre nach dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers scheint das Vertrauen in die Eurozone wieder ungebrochen zu sein. Auch weil die Investoren mittlerweile wissen, dass die meisten Staaten ihre Schulden begleichen können. Denn zur Not steht die Europäische Union Gewehr bei Fuß.

Vor wenigen Jahren sah das Bild noch gänzlich anders aus. Da sprach man vom Zerfall der Staatengemeinschaft, von Kern- und Peripherieländern und spielte Varianten für Post-Euro-Zeiten durch. Dementsprechend schlecht sahen auch die Renditen der schwächeren Eurostaaten aus. Diese entfernten sich nämlich immer weiter von den Ländern „Kerneuropas“. So schoss die irische Zehnjahresrendite 2011 auf rund zwölf Prozent hoch, derzeit liegt sie bei knapp unter zwei Prozent. Auch in Portugal oder Italien war es eine Zeit lang steil nach oben gegangen. In der Zwischenzeit hat sich die Lage wieder beruhigt.

Zwar sind die Schulden der einzelnen EU-Mitglieder in den vergangenen Jahren gehörig angestiegen, nur interessiert sich auf den Kapitalmärkten kaum mehr jemand dafür. Gleichzeitig war zu Jahresbeginn die Aussicht auf eine anziehende Konjunktur hoch. Nun hat Ernüchterung eingesetzt: Die Wirtschaftsleistung in der EU wird in diesem Jahr zwar steigen, allerdings weniger stark als erhofft. Die Prognosen werden nach unten revidiert, die Sorgen steigen erneut.

Geopolitische Konflikte

Wie es tatsächlich weitergehen wird, weiß freilich niemand. Sorgen wie diese sind folglich ein guter Treiber für die Anleihen sicherer Staaten. Freilich spielt auch die Geldpolitik der Europäischen Notenbank eine nicht unwichtige Rolle. Denn schließlich muss das billige Geld der Zentralbank irgendwo investiert werden. Viele deckten sich mit Staatsanleihen ein.

Es komme derzeit ziemlich viel auf einmal zusammen, sagt Fritz Mostböck, Chefanalyst der Erste Bank: „Die niedrigen Zinsen, das schwache Wachstum und geopolitische Risken.“ Man wisse weder, wie es in Israel noch der Ukraine weitergehe, zudem sei die Lage in Syrien und Libyen angespannt. Auch spitze sich die Situation im Irak immer weiter zu. Das verunsichere die Investoren. Abgesehen davon bleibe einigen institutionellen Anlegern gar nichts anderes übrig, als in Staatsanleihen zu investieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2014)

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