Zentralbank: Angst vor einer neuen Eurokrise

EZB-Neubau in Frankfurt am Main
EZB-Neubau in Frankfurt am Main(c) APA/dpa
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Die Inflation ist so niedrig wie seit fünf Jahren nicht mehr. Immer mehr Politiker fordern weitere Hilfen von der Europäischen Zentralbank (EZB). Doch Deutschland ist dagegen.

Wien. Am Donnerstag treffen sich wieder die Ratsmitglieder der Europäischen Zentralbank (EZB), um über zusätzliche Maßnahmen zur Konjunkturbelebung zu beraten. Dabei haben die Währungshüter erst im Juni den Leitzins auf ein historisches Tief von 0,15 Prozent gesenkt. Doch das brachte nicht viel. Zuletzt hat sich die Lage in der Eurozone sogar verschlimmert. Die Angst vor einem Wiederaufflammen der Eurokrise wächst. Denn die Inflationsrate ist im August auf 0,3 Prozent gesunken. Das ist der niedrigste Wert seit dem Jahr 2009, als die Finanzkrise ihren Höhepunkt erreicht hat. Italien ist erstmals seit 50 Jahren in die Deflation geschlittert. Darunter versteht man einen Rückgang des Preisniveaus für Waren und Dienstleistungen.

Warum ist eine Deflation so schlimm? Konsumenten schieben ihre Käufe auf, weil sie glauben, dass die Preise noch billiger werden. Wegen der gesunkenen Nachfrage produzieren die Firmen noch weniger. Dies führt zu einer Pleitewelle und zu einer höheren Arbeitslosigkeit.

Die Europäische Zentralbank war bislang für 2015 von einem Wirtschaftswachstum von 1,7 Prozent in der Eurozone ausgegangen. Doch diese Prognose dürfte nicht zu halten sein. Die Analysten der Commerzbank erwarten für 2015 nur noch ein Wachstum von 0,9Prozent. „Ich befürchte, vor Europa liegt eine längere Phase aus Stagnation, Deflation und hoher Arbeitslosigkeit“, sagte Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung“, der Zeitung „Welt“.

Frankreich macht Druck

Zu den Sorgenkindern gehören nicht nur südeuropäische Länder wie Griechenland und Italien, sondern auch Frankreich. Die französische Regierung verlangt daher weitere Hilfen von der EZB. Die Zinssenkung der EZB im Juni sei ein starkes Signal gewesen, aber das Ganze reiche nicht aus, sagte der neue französische Ministerpräsident Manuel Valls.

Doch was kann die EZB noch tun? Es ist unwahrscheinlich, dass die Währungshüter im September erneut die Zinsen senken werden. Eine Alternative wäre ein massiver Ankauf von Staatsanleihen– wie es bereits die Notenbanken in den Vereinigten Staaten und in Großbritannien getan haben.

In den USA war das Programm, das auch Quantitative Easing genannt wird, durchaus ein Erfolg. Nach dem Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 ging es in Europa und den USA mit der Wirtschaft steil bergab. Doch in den USA besserte sich die Lage, weil dort die Notenbank alle Geldschleusen öffnete und Staatsanleihen aufkaufte. Laut Angaben des Kongresses soll die US-Wirtschaft in den kommenden beiden Jahren um jeweils 3,4Prozent wachsen. Die Arbeitslosigkeit soll in den USA bis 2016 auf 5,7 Prozent sinken.

Ein massiver Aufkauf von Staatsanleihen ist eine der letzten großen Waffen, die der EZB noch zur Verfügung stehen. Viele fragen sich, ob die Währungshüter schon jetzt das ganze Pulver verschießen sollen. Deutschland lehnt ein Quantitative-Easing-Programm kategorisch ab. „Die EZB hat ein klares Mandat, nämlich für Geldwertstabilität zu sorgen. Und sie hat nicht das Mandat, die Staaten zu finanzieren“, sagte Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble. Es sei Aufgabe der jeweiligen Parlamente und Finanzminister, für stabile Staatsfinanzen zu sorgen. Trotzdem liegt für die Ökonomen der Commerzbank die Wahrscheinlichkeit, dass die EZB in den kommenden zwölf Monaten die Geldschleusen für den Ankauf von Staatsanleihen öffnet, bei 60 Prozent. „Das zerbröselnde Konjunkturbild wird die EZB weichkochen“, so die Commerzbank.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.09.2014)

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