Der Konflikt um den Taxikonkurrenten eskaliert: Der App-Dienst trotzt einem bundesweiten Verbot. Das US-Unternehmen will eine Liberalisierung des Marktes erzwingen.
Berlin. Seit Dienstag ist es offiziell: Der umstrittene Fahrdienstvermittler Uber stellt sich in Deutschland über das Gesetz. Das Landgericht Frankfurt hat den Taxi-Ersatz per einstweiliger Verfügung bundesweit verboten. Dagegen legt das kalifornische Unternehmen Widerspruch ein. Bis zur Verhandlung müsste das Verbot wirken. Müsste – denn Uber macht einfach weiter und riskiert damit eine Ordnungsstrafe von bis zu 250.000 Euro für jeden erwischten Wagen. Mit der geballten Anwaltsmacht von Goldman Sachs und Google, die im Juni 1,4 Mrd. Dollar in das Start-up gepumpt haben, versucht der Dienst, die Strukturen des stark reglementierten Taximarkts aufzubrechen.
In Wien rechtlich harmloser
Damit eskaliert ein Konflikt, der die Gemüter von Taxifahrern in ganz Europa zum Kochen bringt. Die Smartphone-App vermittelt in Großstädten von 46 Ländern. Auch in Wien, hier bis vor Kurzem aber nur in der harmlosen Variante Uber Black. Dabei können, zu höheren als den üblichen Taxipreisen, per App Limousinen eines gewerblichen Anbieters bestellt werden (bei UberX nun auch einfachere Autos zu niedrigeren Preisen).
Rechtlich weit gewagter ist die Erweiterung Uber Pop, die Innovation, um die es in den meisten deutschen Gerichtsfällen geht. Dabei bieten private Fahrer bis zu einem Drittel billiger an als normale Taxis. Die Lenker haben meist keine Konzession und keinen speziellen Führerschein zur Personenbeförderung. Anders als bei zentral vermittelten Mitfahrgelegenheiten (zu Selbstkosten) hat der Chauffeur eine Gewinnabsicht. Also müsste er „eigentlich“ ein Gewerbe anmelden und Steuern zahlen. Auch danach fragt Uber nicht.
Zu den neuen digitalen Angeboten gehören auch Wundercar, SideCar und Lyft. Sie alle zetteln eine muntere Diskussion darüber an, wie viel Reglementierung der Taximarkt tatsächlich braucht. Etwa fixe Tarife, die den Fahrgast vor bösen Überraschungen bewahren sollen. Davor schützt ihn aber auch Uber, weil er den Preis schon vor der Reservierung kennt. Oder das klassische Argument: Jeder Bürger hat ein Recht auf Transport, weshalb Gesetze vorschreiben, dass ihn Taxifahrer nicht abweisen dürfen. In der Berliner Praxis erweisen sich Uber-Fahrer aber meist als freundlicher. Denn die Kunden können sie auf der App bewerten und suchen sie oft nach diesem Kriterium aus. Gewichtiger erscheinen Sicherheitsbedenken: Ein Taxi muss jährlich zum TÜV, ein Uber-Wagen nicht. Ein lizenzierter Lenker muss alle fünf Jahre seinen Führerschein erneuern und zum Sehtest, ein Uber-Fahrer nicht. Bei der Haftpflicht dürften die Fahrer ohne echten Schutz sein – laut Hessischem Rundfunk auch trotz der Uber-eigenen Versicherung. Damit würden viele ihre Existenz aufs Spiel setzen. Immerhin: Die 1000 Euro, die den einzelnen Lenker die Missachtung des Verbots kostet, übernimmt angeblich die Firma.
Kampf gegen „Taxikartelle“
Uber streitet gar nicht ab, dass sein Angebot gegen deutsches Recht verstößt. Man argumentiert keck, die Gesetze seien „nicht zeitgemäß“, weil es früher noch keine Smartphones gab. Damit will man eine Liberalisierung des Marktes erzwingen. Das hat schon in San Francisco funktioniert, wo der Dienst vor fünf Jahren startete. Auch dort gab es Proteste. Aber die Behörden gaben klein bei und legalisierten das illegale Angebot.
Gelingt das auch jenseits des Atlantiks? Oder ist das Frankfurter Urteil der Anfang vom Ende Ubers in Europa? Bei der EU-Kommission haben die Rebellen jedenfalls eine streitbare Verbündete: Als die Stadt Brüssel den Dienst verbot, stieg Neelie Kroes auf die Barrikaden. „Verrückte Entscheidung“, empörte sich die 72-jährige Digitalkommissarin. Denn damit schütze man nur „ein Taxikartell“.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2014)