Rückversicherer gegen Billigrivalen

Nikolaus von Bomhard
Nikolaus von Bomhard(c) EPA
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In das klassische Geschäft mit Katastrophen dringen „artfremde“ Konkurrenten ein und unterbieten die Preise. Deshalb müssen die Branchengrößen neue Geschäftsfelder auftun.

Frankfurt. „Les Rendez-vous de Septembre“ – das klingt romantisch, aber der Schein trügt. Wenn sich die Rückversicherungsbranche ab Sonntag unter diesem Motto in Monte Carlo trifft, um die nächste Preisrunde für ihre Kunden, die Erstversicherer, vorzubereiten, dürfte eher Katerstimmung herrschen. Die Preise fallen, weil die Nachfrage sinkt und massenhaft neue, „artfremde“ Anbieter – Hedgefonds, Pensionskassen und andere Profi-Anleger – auf den Markt drängen. So groß ist die Konkurrenz inzwischen, dass unlängst sogar dem sonst beherrschten Münchener-Rück-Chef, Nikolaus von Bomhard, der Kragen geplatzt ist: „Ich bin enttäuscht, verärgert, teilweise sogar entsetzt, wenn ich sehe, was auf den Märkten passiert“, schimpfte er auf der Halbjahrespressekonferenz im August.

Seither hat sich wenig geändert. Bei den meisten traditionellen Anbietern geht das Prämienvolumen eher zurück. Die drei großen Ratingagenturen, Standard & Poor's (S&P), Moody's und Fitch, zeichnen die Aussichten für die Rückversicherer in trüben Farben, mindestens bis ins nächste Jahr hinein. Am deutlichsten wird S&P: „Wenn es den Rückversicherern nicht gelingt, ihre Stärken und ihre Expertise gegenüber neuen und bestehenden Kunden herauszustellen, könnten sie an den Rand gedrängt werden“, schreiben die Experten in einer Kurzstudie. Es sei dringend nötig, neue Märkte zu erschließen und neue Produkte zu entwickeln. Die könnten sich etwa um das Thema Cyber-Attacken und Datensicherheit drehen.

Denn die neuen Konkurrenten tummeln sich bislang hauptsächlich im Geschäft mit klassischen Katastrophenversicherungen: Über Fonds oder Anleihen stellen sie Milliarden bereit, mit denen Versicherer Zahlungen für Schäden durch Wirbelstürme, Überschwemmungen oder Erdbeben refinanzieren können. Das ist das klassische Rückversicherungsgeschäft. Hier sind die Verträge in der Regel auf ein Jahr begrenzt und die Margen vergleichsweise groß, zumindest bislang.

Branchenführer Münchener Rück hat angekündigt, wegen der starken Konkurrenz lieber aufs Geschäft zu verzichten als sich auf einen Preiskampf einzulassen und Risken am Ende womöglich zu günstig zu versichern. Mit Spannung warten Beobachter nun auf die neuesten Markteinschätzungen des Branchenschwergewichts.

Die jährliche Preisrunde in Monte Carlo ist für den Konzern das wichtigste Branchentreffen. Dort verhandeln die Münchner zwei Drittel des Schadens- und Unfallgeschäfts oder bereiten die Verhandlungen für das restliche Jahr vor. Auch die Nummern zwei und drei der Branche, die Swiss Re und die Hannover Rück, wollen einen Ausblick auf die kommenden Monate geben. Swiss-Re-Finanzchef David Cole hat zuletzt zaghaft Zuversicht signalisiert.

Höhere Dividenden?

Die Frage ist, was die Rückversicherer mit ihren Milliarden machen, wenn sie sie nicht in Neugeschäfte stecken. Eine Übernahme- oder Fusionswelle erwarten Experten nämlich nicht. „Man könnte zwar argumentieren, dass man damit zumindest einen Teil des Überschusskapitals abbaut“, sagt Moody's-Analyst Kevin Lee. „Aber es ist nicht unbedingt so, dass damit auch die Kapazitäten auf dem Markt sinken.“ Bleiben als Möglichkeiten Aktienrückkäufe und höhere Dividenden: Die Anleger würden sich freuen. Da tat sich bisher nicht viel, wie David Masters von Moody's bemängelt. Die Unternehmen seien lang verunsichert gewesen, wie viel Kapital sie im Zug der strengeren Solvency-II-Regeln und als systemrelevante Versicherer vorhalten müssten. Daher hätten sie sich mit Sonderdividenden zurückgehalten. (Reuters)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2014)

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