Die EZB und ihre Schrottpapiere

The new European Central bank (ECB) headquarters are pictured in Frankfurt
The new European Central bank (ECB) headquarters are pictured in Frankfurt(c) REUTERS (RALPH ORLOWSKI)
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In der Euro-Notenbank wird offenbar überlegt, die Anforderungen bei den künftigen Käufen von Kreditderivaten zu senken. Die EZB könnte zur „Bad Bank“ der Großbanken mutieren.

Wien. Bei ihrem Anti-Deflationsprogramm will die Europäische Zentralbank (EZB) offenbar viel höhere Risken eingehen, als sie bisher eingestanden hat: Nach Informationen der deutschen Tageszeitung „Die Welt“, die sich auf "Entscheidungsträger aus der Notenbank“ beruft, gewinnen innerhalb der Euro-Notenbank jene die Oberhand, die die Risikoschwelle beim angekündigten Aufkauf von Kreditderivaten (Asset Backed Securities, ABS) drastisch absenken wollen. Das würde bedeuten, dass letztendlich hohe Kreditrisken von den Banken zu den europäischen Steuerzahlern transferiert werden.

Die Einzelheiten des wahrscheinlich 500 Mrd. Euro "schweren" ABS-Ankaufprogramms sollen offiziell erst Anfang Oktober bekannt gegeben werden. Bisher waren Beobachter davon ausgegangen, dass die EZB nur ABS ankaufen werde, deren Rating höher als "A-" liegt. Das ist derzeit die Mindestanforderung für jene Kreditverbriefungen, die die EZB als Sicherheiten für Kredite an die Banken akzeptiert.

Jetzt wird der Druck größer, beim Ankaufsprogramm auch ABS mit einem "BBB"-Rating ins Portfolio zu nehmen. Das entspricht zwar noch immer der Stufe "Investment Grade", die Papiere tragen allerdings ein wesentlich höheres Ausfallsrisiko als jene mit "A"-Rating.

Die Sache ist insofern brisant, als ABS genau jene Derivat-Kategorie ist, die ganz wesentlich zum Ausbruch der Finanzkrise 2008 beigetragen haben. Vereinfacht gesagt werden bei dieser Wertpapierkategorie Kredite in einzelne Teile „zerlegt“, mit Teilen anderer Kredite in ein neues, handelbares Finanzinstrument „verpackt“ und dann weiterverkauft.

Der Sinn der Sache ist unter anderem, beim Forderungsverkauf Kreditrisken zu streuen. Während der Finanzkrise hat sich gezeigt, dass das Risiko (besonders nach mehrmaligem „umpacken“) für den Käufer nur noch schwer einzuschätzen ist. Auch die Ratingagenturen waren bei ihrer ABS-Bewertung dramatisch daneben gelegen, viele praktisch wertlose „Schrottpapiere“ hatten „AAA“-Ratings.

Mit dem ABS-Ankaufsprogramm will die EZB die Wirtschaft ankurbeln, indem sie die Kreditvergabe der Banken stimuliert. Die können auf diese Art Kreditrisken (die mit Eigenkapital unterlegt werden müssen) an die Euro-Notenbank weiterreichen – und so Eigenkapital für die „Unterlegung“ zusätzlicher Kreditvergaben freischaufeln.

Allerdings: Für erstklassig geratete ABS gibt es einen florierenden, lukrativen Markt. Experten sehen es als unwahrscheinlich an, dass die EZB hier das angepeilte Volumen von 500 Mrd. Euro zusammen bringt. Dafür dürften die Banken sehr daran interessiert sein, ihre riskanteren, schlechter gerateten Kreditderivate der EZB umzuhängen (wofür diese eben ihre Rating-anforderungen drosseln müsste). Auf diese Weise könnte die Euro-Notenbank durchaus zur Bad Bank vor allem der südeuropäischen Banken mutieren.

Kurz gesagt: Die Banken könnten ihre hohen Risken auf diese Weise bequem an die europäischen Steuerzahler transferieren. Eine Art versteckte neue Bankenrettung sozusagen. Denn „faul“ gewordene Kreditderivate im Bestand der EZB würden deren Gewinn schmälern, was zu geringeren EZB-Gewinnausschüttungen an die Euro-Mitgliedsländer führen würde. Oder, im Extremfall, für Verluste sorgen, die dann von den Euro-Mitgliedsstaaten ausgeglichen werden müssten. Die Frage ist auch, ob die EZB die eingegangenen Risken überhaupt adäquat einschätzen kann? Experten verwiesen gestern darauf, dass die Euro-Notenbank über kein schlagkräftiges Risikocontrolling für diese Art von Wertpapieren verfüge.

Ratings lagen oft daneben

Die Bank müsste sich also weitgehend auf die Einschätzung der Ratingagenturen verlassen. Und die haben in der Finanzkrise ausreichend dokumentiert, dass sie dazu nicht in der Lage sind: Viele Papiere, die sich als wertlos herausstellten und ihre Halter in ärgste Turbulenzen brachten, hatten über Top-Ratings verfügt.

Es gibt freilich auch einige Fachleute, die das Risiko der ABS-Käufe nicht so hoch einschätzen. Schließlich gehöre es ja zu den Aufgaben einer Notenbank, Liquditätsrisken zu übernehmen. Österreichs Notenbankchef Ewald Nowotny hatte vor ein paar Tagen bei einem Vortrag an der Universität Zürich gesagt, er sehe nicht, dass die EZB in Richtung Bad Bank gehe. Der ABS sei in der Krise zu Unrecht in Verruf geraten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2014)

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