G20-Attacke auf die Steuerflucht

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Die größten Industrienationen wollen Konzerne künftig zwingen, Steuern dort zu bezahlen, wo sie ihre Gewinne erwirtschaften. Bisher existiert aber nur eine Absichtserklärung.

Cairns/Wien. Sie sprechen von der „größten Steuerreform seit 100 Jahren“ und von einem „Großangriff auf Steuerflüchtlinge“: Die Finanzminister und Notenbankchefs der 20 größten Industrienationen (G20) haben sich bei ihrem Treffen in der australischen Stadt Cairns darauf verständigt, der „Steuergestaltung“ internationaler Konzerne via Steueroasen den Kampf anzusagen. Experten sind freilich skeptisch, ob das so schnell gelingen kann.

Es geht um gewaltige Summen: An die 32 Billionen Dollar sollen insgesamt steuerschonend in Steueroasen geparkt sein. Rund zwei Billionen Dollar sollen Konzerne durch „aggressive Steuervermeidung“ der Versteuerung den Industriestaaten entzogen haben, schätzt der Generalsekretär der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD), Angel Gurria.

Besonders erfolgreich sind dabei US-Konzerne: Apple, Google und Amazon beispielsweise machen in Europa Milliardengeschäfte, zahlen hierzulande aber kaum Steuern. Das hat auch damit zu tun, dass die US-Finanzbehörden normalerweise beide Augen zudrücken, wenn Konzerne im Ausland erzielte Gewinne in Steueroasen verschieben. Erst, wenn das Geld aus den Oasen in die Staaten weiterfließt, schlagen die Finanzbehörden zu.

Aber auch in Europa haben die Schlupflöcher in letzter Zeit eher zu- als abgenommen. So hat eine Reihe von Ländern Regelungen geschaffen, die es erlauben, Einnahmen aus Markenrechten und Lizenzen sehr leicht in Länder mit niedrigeren Steuersätzen zu verschieben. Die Niederlande und Großbritannien haben sich da besonders hervorgetan. Und dann ist da noch Irland, das im Europavergleich extrem niedrige Unternehmenssteuern hat, zudem aber noch durch die Möglichkeit von parallelen Firmensitzen (beispielsweise in Dublin und einem Steuerparadies) bei zusätzlicher Steuervermeidung hilft. Kein Wunder, dass die Insel überproportional viele Europazentralen von US-Konzernen beherbergt.

Ein Dorn im Auge ist das vor allem Deutschland, das bei vergleichsweise hoher Wirtschaftsleistung relativ niedrige Unternehmenssteuereinnahmen lukriert. Der deutsche Finanzminister, Wolfgang Schäuble, steht demgemäß auch an der Spitze der von den G20 ausgerufenen „Steuerreform“.

Die besteht derzeit freilich noch aus Schlagworten. Ziel soll es sein, dass Unternehmenssteuern künftig dort anfallen, wo die Wirtschaftsleistung erbracht wird. Der australische Finanzminister, Joe Hockey, Gastgeber des Treffens, formulierte das so: „Unsere Regierung ist entschlossen sicherzustellen, dass auf Gewinne, die in Australien erzielt werden, auch in Australien Steuern gezahlt werden.“ Der Grundsatz, dass Gewinne dort versteuert werden, wo sie anfallen, solle letztlich weltweit gelten, sagte OECD-Generalsekretär Gurria. Wie das gemacht werden soll, muss im Detail aber noch ausgearbeitet werden.

In Cairns haben die G20-Finanzminister erst einmal einem von der OECD schon vor einiger Zeit ausgearbeiteten 15-Punkte-Plan zugestimmt. Kern des Plans ist ein automatischer Informationsaustausch der OECD-Länder über Kontenstände, Kapitalgewinne und Transaktionen internationaler Unternehmen, der ab spätestens 2017 erfolgen soll. Australien hat sich gestern bereits verpflichtet, diesen Informationspflichten voll nachzukommen. Andere Länder sollen bald folgen. Hockey sagte, allein die bereits seit einiger Zeit im Raum stehende Einführung dieses Informationsaustauschs habe in den betroffenen Ländern bisher freiwillige Steuernachzahlungen über 37 Mrd. Euro ausgelöst. Der OECD-Plan soll bis 2015 durch weitere Vorschläge ergänzt werden, hieß es.

Die OECD-Initiative gegen Gewinnverlagerungen und Steuerverkürzungen werde von insgesamt 44 Ländern unterstützt, darunter von allen G20-Ländern, hieß es gestern. Experten sind allerdings skeptisch, ob sich das dann auch in allen wichtigen Ländern umsetzen lässt. Denn die OECD- und G20-Vorschläge sind vorerst eben nur Vorschläge, die von allen Beteiligten erst in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Die Ambitionen von Ländern, die bisher profitiert haben, dürften da eher gering sein. (ju/red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2014)

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