Gasstreit mit Russland: Mögliche Wende

European Commissioner for Energy Guenther Oettinger speaks during a news conference after gas talks between the EU, Russia and Ukraine in Berlin
European Commissioner for Energy Guenther Oettinger speaks during a news conference after gas talks between the EU, Russia and Ukraine in Berlin(c) REUTERS
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Die EU hat Moskau und Kiew einen Gaskompromiss unterbreitet. Das „Winterpaket“ könnte einen reibungslosen Gasfluss bis März sichern.

Wien. Sollte der Kompromiss durchgehen, wird der scheidende EU-Energiekommissar Günther Oettinger für sich verbuchen können, einen neuen Gaskrieg mit Lieferausfällen im Winter abgewendet zu haben. Zuvor aber müssen nächste Woche noch die Schaltstellen in Kiew und Moskau entscheiden, ob sie Oettingers Vorschlag akzeptieren, und Ende der Woche, wenn sich die Emissäre der beiden Staaten unter EU-Vermittlung wieder in Berlin treffen, ein verbindliches Protokoll aufsetzen.

Auch wenn Unwägbarkeiten bleiben: Die ukrainische Seite deutete Kompromissbereitschaft an, und so nah an einer Lösung des monatelangen Gasstreits zwischen Russland und der Ukraine wegen unbezahlter Schulden war man noch nie. Der Vorschlag, den Oettinger auf dem trilateralen Treffen in Berlin gestern unterbreitet hat, sieht vor, dass das wichtigste Gastransitland Ukraine, das mit 5,3 Mrd. Dollar beim russischen Produzenten Gazprom verschuldet ist, bis Ende Oktober zwei Mrd. Dollar und bis Ende des Jahres dann nochmals 1,1 Mrd. Dollar überweist. Im Gegenzug würde Russland, das seit Juni kein Gas mehr an die Ukraine liefert bzw. dies nur noch gegen Vorauskassa tun würde, fünf Mrd. Kubikmeter liefern. Dabei handelt es sich um jenes Volumen, das dem Land laut Premier Arseni Jazenjuk für diesen Winter fehlt. Funktioniert der Kompromiss, wäre sowohl eine reibungslose Versorgung der Ukraine als auch ein reibungsloser Transit des für Europa bestimmten russischen Gases gesichert.

Den ganzen Sommer über hatten sich Moskau und Kiew nicht auf den Gaspreis einigen können und haben daher beiderseits das Schiedsgericht in Stockholm angerufen. Oettingers Kompromissvorschlag, der einen Gaspreis von 385 Dollar je 1000 Kubikmeter vorsieht, versteht sich nicht als Ersatz für das Stockholmer Gericht. Vielmehr soll er als Überbrückung für den Winter bis Ende März dienen, bis Stockholm entscheidet.

Moskaus Druck zeitigt Wirkung

In den vergangenen Wochen hatten die Spannungen zwischen Russland und Europa in der Gasfrage immer mehr zugenommen. Der Unmut Russlands entzündete sich an dem Umstand, dass EU-Staaten wie die Slowakei, Polen und Ungarn immer mehr russisches Gas in die Ukraine reexportierten. Um daher den Druck zu erhöhen, hatte der russische Energieminister Alexander Nowak am Freitag in einem Interview mit dem „Handelsblatt“ gedroht, die Gasversorgung einzuschränken. Das ist insofern bemerkenswert, als Nowak wenige Tage zuvor im Interview mit der „Presse“ ein solches Druckmittel noch ausgeschlossen hatte.

Nowaks Drohung im „Handelsblatt“ zeitigte offenbar Wirkung: So teilte der ungarische Gasversorger FGSZ am Freitag mit, er habe seine Gaslieferungen an die Ukraine „auf unbestimmte Zeit“ ausgesetzt. Die Regierung in Budapest begründete den Schritt offiziell damit, dass die ungarischen Gasreserven aufgestockt werden sollten.

In den vergangenen zwei Wochen hatte Gazprom schon wiederholt weniger Gas nach Europa geliefert. Begründet wurde dies mit einer nicht bedienbaren höheren Nachfrage und der Notwendigkeit, zu Hause die Speicher zu füllen.

Auch in Österreich kamen diese Woche zwischen 20 und 25 Prozent weniger Gas aus Russland an als vertraglich vereinbart. Die Woche davor betrugen die Lieferkürzungen rund 25 Prozent. „Es ist nicht ungewöhnlich, dass es zu Minderlieferungen kommt, ungewöhnlich ist allerdings, dass diese nun über einen längeren Zeitraum nicht begründet werden“, so Walter Boltz, Vorstand der E-Control.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2014)

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