Österreichs Wirtschaft pilgert nach Mekka

(c) EPA (Altaf Qadri)
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Anfang Oktober beginnt die Hadsch, die muslimische Pilgerfahrt nach Mekka. Um den Massenansturm zu bewältigen, hat Saudiarabien ein milliardenschweres Bauprogramm gestartet. Davon profitieren österreichische Unternehmen.

Einmal im Jahr befindet sich Saudiarabien im Ausnahmezustand. Dann pilgern Muslime aus aller Welt nach Mekka, dem Geburtsort Mohammeds. Für die dortigen Behörden ist der Massenansturm eine organisatorische Herausforderung. Die Wallfahrt nach Mekka ist eine der fünf Säulen des Islams. Jeder gläubige Muslim soll sie mindestens einmal im Leben unternehmen, wenn er dazu körperlich in der Lage ist und die finanziellen Mittel hat. Um für die wachsende Zahl der Pilger gerüstet zu sein, hat Saudiarabien um die heiligen Orte des Islams ein gigantisches Investitionsprogramm gestartet. Firmen aus aller Welt bemühen sich um Aufträge.

Auch für österreichische Unternehmen wird Saudiarabien ein immer größerer Wachstumsmarkt. „Die Wirtschaftskrise ist an Saudiarabien nahezu spurlos vorbeigegangen, und es herrscht der größte Bauboom aller Zeiten. Neben fünf Megastädten, die völlig neu aus dem Boden gestampft werden, werden riesige Infrastrukturprojekte realisiert“, heißt es in einem Bericht der Wirtschaftskammer über Saudiarabien.

Der Auftragswert aller aktuellen Projekte wird auf rund 700 Milliarden US-Dollar geschätzt, wobei der Großteil durch die Regierung getragen wird. Die Saudis können sich das locker leisten, denn das Land besitzt die größten Erdölreserven weltweit. Auch österreichische Firmen profitieren vom dortigen Wirtschaftsboom.

Laut Wirtschaftskammer ist Saudiarabien für Österreich bereits der wichtigste Handelspartner in der gesamten arabischen Welt. Im Vorjahr stiegen die österreichischen Exporte nach Saudiarabien um 18,3 Prozent auf 684 Millionen Euro. Das ist ein neuer Rekord. Ganz oben auf der Prioritätsliste der Saudis stehen Bauprojekte im Zusammenhang mit der Hadsch, der Pilgerfahrt nach Mekka. Die Wallfahrt darf nur an bestimmten Tagen im Jahr durchgeführt werden. Sie beginnt heuer am 3.Oktober. Dann müssen Menschenmassen von einem Ort zum nächsten transportiert werden. Dies führt zu endlosen Warteschlangen. Zehntausende Sicherheitskräfte sind im Einsatz. Die größte Gefahr ist eine Massenpanik. In der Vergangenheit kam es vor, dass Pilger zu Tode getrampelt wurden.

Der österreichische Baukonzern Porr hat sich nun mit der Partnerfirma Saudi Binladin (1931 gegründet vom Vater von Osama bin Laden) für die Errichtung einer U-Bahn in Mekka beworben. Porr ist in der Region bereits tätig und baut gerade die „Green Line“ der Metro in Doha, der Hauptstadt von Katar. „In Mekka bestehen ähnliche Herausforderungen wie in Doha, daher wurden wir vom Partner eingeladen, gemeinsam für das Projekt anzubieten“, sagt Jürgen Leitner von Porr zur „Presse am Sonntag“.


Zugfunk in der Wüste. Die Wiener Firma Kapsch freut sich in Saudiarabien bereits über einen Großauftrag. Die Österreicher sollen auf der 450 Kilometer langen Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen den heiligen Orten Mekka und Medina ein Zugfunksystem errichten. Aus Sicherheitsgründen müssen solche Zugstrecken mit eigenen Kommunikationsanlagen ausgestattet sein. Damit soll eine reibungslose Verständigung zwischen den Stationen und dem Zug gewährleistet werden.

Das ist in Saudiarabien besonders wichtig, da die Bahnlinie durch die Wüste führt. „Wir konnten diesen Auftrag vor allem deshalb gewinnen, weil der Auftraggeber Sicherheit und Expertise als Schlüsselkriterien definiert hat“, heißt es bei Kapsch.

Bereits fertig ist die 18 Kilometer lange Schnellbahn, die mehrere heilige Orte im Großraum von Mekka verbindet. Die Schnellbahn führt zum Berg Arafat, wo die Gläubigen während der Hadsch Gebete sprechen. Weitere Stationen sind Muzdalifa und Mina, wo die Pilger Steine auf drei Säulen werfen– eine symbolische Steinigung des Teufels. Früher gingen die Menschen zu Fuß oder nutzten tausende Busse, die aber im Stau stecken blieben. Bei der Schnellbahn kamen allerdings nicht österreichische, sondern deutsche Firmen zum Zug. Gebaut wurde die Schnellbahn unter Aufsicht der Deutschen Bahn International. Siemens war für die Elektrifizierung zuständig.


U-Bahn-Züge für Riad. Die Schnellbahn ist erst der Beginn. In Saudiarabien sind drei Hochgeschwindigkeitsstrecken quer durch das Land geplant, die in Summe über zehn Milliarden Euro kosten sollen. Hinzu kommt ein U-Bahn-Netz für die Hauptstadt Riad. Dort leben 5,9 Millionen Menschen. Täglich stehen die Autofahrer durchschnittlich 1,5 Stunden im Stau.

Bis 2019 soll auf Wunsch des saudischen Königs die U-Bahn fertig sein. Siemens Österreich hat den Zuschlag für den Bau von 74 U-Bahn-Zügen erhalten. Die Garnituren für die fahrerlosen Züge werden in Wien hergestellt, die Fahrwerke in Graz.

Einen großen Coup landete Lights of Vienna. Der mittelgroße Familienbetrieb liefert riesige Luster für die Pilgerstätten in Mekka und Medina. Dabei geht es um ein Auftragsvolumen von 100 Mio. Euro. Auf der Referenzliste von Lights of Vienna stehen nicht nur die Heilige Moschee in Mekka, sondern auch der königliche Palast von König Fahd in Riad sowie die private Yacht von Prinz Abdul Aziz.


Gesperrt für Nichtmuslime. Ausländische Firmen, die sich für Geschäfte in der Region bewerben, müssen beachten, dass Mekka und Medina für Nichtmuslime gesperrt sind. Auf den Autobahnen informieren riesige Schilder in englischer und arabischer Sprache, dass nur Muslime weiterfahren dürfen. Die Einhaltung wird von der Polizei mit Kontrollen rigoros überwacht. „Bei Zuwiderhandlung drohen empfindliche Strafen, bis hin zur Todesstrafe“, warnt die deutsche Botschaft in Riad. Während der Hadsch sind die Visa für Mekka streng limitiert. Pro Land darf nur eine bestimmte Anzahl von Menschen einreisen.

„Westliche Firmen versuchen, hauptsächlich muslimische Mitarbeiter für die Projektleitung in Mekka und Medina zu finden“, sagt Pierre Prunis, österreichischer Wirtschaftsdelegierter in Saudiarabien, zur „Presse am Sonntag“. Für wichtige Aufträge soll Gerüchten zufolge schon der eine oder andere Mitarbeiter zum Islam konvertiert sein. Ob dies auch auf österreichische Firmen zutrifft, „ist uns nicht bekannt“, so Prunis. Das Problem betreffe aber ohnehin meist nur Mitarbeiter in leitenden Positionen. Für Geschäfte in Mekka und Medina haben die Firmen meist muslimische Manager aus dem Mittleren Osten. Die Bauarbeiter stammen größtenteils aus ärmeren muslimischen Ländern wie Ägypten und Pakistan.

Einmal konvertierten in Mekka 660 chinesische Gastarbeiter zum Islam. Anlass dafür war eine Auseinandersetzung, weil beim Bau einer Bahnstrecke nicht muslimische Arbeiter aus China angeheuert wurden. Daraufhin erhielt der Gouverneur von Mekka hunderte Protestbriefe. Schließlich legten die Bauarbeiter aus China in einer feierlichen Zeremonie in Mekka das islamische Glaubensbekenntnis ab. Entweder aus religiöser Überzeugung oder weil sie den Job behalten wollten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2014)

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