Gratisgeld für alle: Eine verführerische Illusion

EZB-Neubau in Frankfurt am Main
EZB-Neubau in Frankfurt am Main(c) APA/dpa/Boris Roessler (Boris Roessler)
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Die Vorteile des billigen Gelds kommt kaum bei den Bürgern an. Sollen die Notenbanken jetzt auch Geld für die Bürger drucken?

Wien. Es klingt nach einer guten Idee. Die großen Zentralbanken stehen in der Krise den Staaten und Banken seit Jahren mit vielen hundert Milliarden und Zinsen nahe am Nullpunkt bei. Sie kaufen zusätzlich Wertpapiere und Staatsanleihen mit „frisch gedrucktem“ Geld, damit die betreffenden Märkte (wie der US-Immobilienmarkt) nicht implodieren. Nun gibt es aber das Problem, dass die Vorteile des billigen Gelds bei den Bürgern kaum ankommen – weil die Banken vorsichtig geworden sind und zu wenige Kredite vergeben. Daher auch die angebliche Deflationsgefahr in Europa. Der Zentralbank gehen die Ideen aus, denn ihr billiges Geld steckt in den Banken fest, statt die Wirtschaft zu „beleben“.

Die Nachteile der lockeren Geldpolitik kennen die Bürger aber nur zu gut. Vor allem die Österreicher. Denn hierzulande herrscht keine Deflationsgefahr, sondern die höchste Inflationsrate in der Eurozone. Die Folge: Seit fünf Jahren sinken die Reallöhne und mit ihnen die Kaufkraft. Was Wunder also, dass die eingangs erwähnte „gute Idee“ hierzulande für Aufsehen sorgt. Sie geht so: Die Zentralbanken sollen endlich auch „frisches Geld“ für die Bürger drucken.

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„Helikopterabwurf“

Gratisgeld für alle! Wer könnte etwas dagegen haben? Für Ökonomen ist die Idee nichts neues, sogar der eher liberale Milton Friedman konnte dem Konzept des Geldverteilens etwas abgewinnen. Er prägte das Bild des Helikopterabwurfs von frisch gedruckten Banknoten zur Ankurbelung der Nachfrage – und damit der Wirtschaft. In der Zeitschrift „Foreign Affairs“ wurde die alte Idee jetzt wieder aufgegriffen. Und im „Profil“ nennt der Ökonom Engelbert Stockhammer sogar eine Summe: „5000 Euro für jeden Europäer“ zu verteilen sei ein „sinnvolles Experiment“.

1,7 Billionen über Nacht

Wie sinnvoll es wäre, würde sich freilich erst nach Ende des Experiments zeigen. Was es aber auf jeden Fall wäre: eine unvergessliche Ökonomielehrstunde für ganz Europa. Denn 5000 Euro für jeden Bürger in der Eurozone zu drucken, würde die Geldmenge auf einen Schlag um knapp 1,7 Billionen ausweiten. Das breiteste Geldmengenaggregat (M3) beläuft sich heute auf rund zehn Billionen Euro. Aber wenn wir die Geldmenge um 17 Prozent erhöhen – sind wir dann alle um 17Prozent reicher?

Natürlich nicht. Wenn am Pokertisch alle Spieler auf einen Schlag ein Viertel mehr Chips bekommen, was ändert sich? Genau: absolut nichts, außer dass die einzelnen Chips weniger wert sind. Die Logik der Geld-für-alle-Idee funktioniert deswegen nur in den aseptischen Modellen der Ökonomen – die Folgen in der echten Welt kann man unmöglich abschätzen. Und die Risken sind enorm. Schon die ursprüngliche Hoffnung, dass die Menschen das Geld zum Konsum nutzen und damit die Wirtschaft ankurbeln, muss arg bezweifelt werden. Denn angesichts sinkender Reallöhne, hoher Inflation und noch höherer Steuern schnallen die Österreicher den Gürtel enger (und die Griechen sowieso).

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Die Bürger müssen zahlen

Und selbst wenn das schöne neue Geld nicht auf dem Sparbuch landet oder zur Tilgung von Schulden eingesetzt wird, selbst wenn die Menschen die Hoffnungen der Ökonomen erfüllen und haufenweise iPhones und Autos und Küchengeräte kaufen, ist die Krise mit der Verteilung von noch mehr Geld keinesfalls gelöst. Im schlimmsten Fall könnten die Preise explosionsartig steigen und das Vertrauen in den Euro erodieren.

Wie die Grafiken zeigen, haben die großen Zentralbanken Europas, Englands, Japans und der USA in der Krise Geld gedruckt wie nie zuvor in der Geschichte. Gemeinsam haben sie Wertpapiere im Wert von rund 27 Prozent der kombinierten Wirtschaftsleistung ihrer Länder auf ihre Bücher genommen – und dafür mit frischem Geld bezahlt, das eigentlich gar nicht existieren dürfte.

Aber diese Politik hat nichts gelöst – und die Marktverwerfungen sogar verstärkt. Damit wurde lediglich Zeit gekauft. Jetzt in den Hyperdrive zu schalten und Billionen Euro einfach zu verteilen mag zwar nach einer guten Idee klingen – denn wer will nicht mehr Geld?

Aber am Ende bleibt es eine verführerische Illusion. Die Debatte beweist nur, dass bei der Krisenbekämpfung auf die Bürger vergessen wurde – und dass sie, nicht die Politiker und nicht die Zentralbanker, am Ende dafür bezahlen müssen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2014)

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