Straßen: Leichter von Ungarn nach Portugal als durch Rumänien

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Die zehn Stunden lange Route durch Rumänien ist ein wahrer Albtraum geblieben. Die schlechte Infrastruktur belastet das BIP.

Seit einem Jahrzehnt durchquert Florin Melcescu mit seinem Lkw regelmäßig Rumänien. Eines hat sich in all den Jahren nicht verändert: die 10 Stunden lange Route ist ein wahrer Albtraum geblieben. Der 36-jährige Lkw-Fahrer, der Fracht nach Westeuropa liefert, hat miterlebt, wie die nahegelegenen Staaten Polen und Ungarn Mittel der Europäischen Union genutzt haben, um ihre Straßen auf Vordermann zu bringen. In Rumänien, das der EU später beitrat, herrscht dagegen Stillstand. Melcescu bleibt somit in Rumänien gezwungen, zweispurige Passstraßen durch Dörfer im Hochgebirge der Karpaten zu benutzen. Nicht selten muss der Brummifahrer dabei mit seinem Lkw Kuhherden und Pferdegespannen ausweichen.

“Die Straßen sind schrecklich”, sagt Melcescu im Gespräch mit Bloomberg News während einer vorgeschriebenen Pause in der Nähe von Bukarest. “Und wenn man an die ungarische Grenze kommt, dann steht man in einer 15 Kilometer langen Autoschlange und verliert weitere vier bis sechs Stunden.”

Ausländische Investoren bleiben aus

Rumäniens schlechte Infrastruktur behindert die Erholung des postkommunistischen Landes. Das Wirtschaftswachstum hinkt hinter dem der Nachbarstaaten her, auch wenn die Regierung einen Beitritt zum Euroraum im Jahr 2019 anstrebt. Die verfallenden Straßen und das veraltete Eisenbahnnetz schrecken ausländische Investoren ab, darunter auch die deutsche Daimler AG, und bedeutet für andere wie Dacia-Renault SA steigende Transportkosten. Das alles begrenzt das Ausmaß einer exportgetriebenen Erholung in Rumänien.

“Europäische Verkehrskorridore laufen in Rumänien in eine Sackgasse, und zusammen mit der schlechten Qualität der Binnenstraßen wird das Wachstumspotenzial des Landes klar eingeschränkt”, sagt Dan Bucsa, Ökonom bei UniCredit Bank AG in London. “Rumänien hat bei Weitem die schlechteste Straßeninfrastruktur in der EU und ist deswegen in den letzten paar Jahren bei großen Investitionen leer ausgegangen.”

Daimler hat 2012 Ungarn vor Rumänien den Vorzug gegeben, um ein 800 Mio. Euro teures Werk zu bauen. Für den deutschen Autohersteller wog die bessere Infrastruktur in Ungarn offensichtlich schwerer als die höheren Arbeitskosten.

EU-Schlusslicht bei Autobahndichte

Rumänien, das nach Bulgarien zweitärmste Land in der EU, hat seine Lektion noch nicht gelernt. Die Regierung hat seither nur etwa 150 Kilometer Schnellstraßen gebaut, was die Autobahndichte auf zwei Kilometer pro 1000 Quadratkilometer bringt. Damit ist Rumänien das Schlusslicht in der EU, geht aus einem Bericht der Europäischen Kommission hervor.

Weitere 200 Kilometer befinden sich derzeit im Bau, werden aber unter anderem durch langwierige Genehmigungsverfahren und Verzögerungen bei der Auftragsvergabe aufgehalten. Etwa 40 Prozent der Straßen in dem siebtgrößten Land der EU sind
Pflaster- oder Schotterstraßen.

Nachteil für Einzelhändler

Der Mangel an qualitativ hochwertigen Transportrouten sorgt bei Investoren für stete Kritik, erklärt Ana Maria Mihaescu, Leiterin des lokalen Büros der International Finance Corporation. “Wenn man ein großes Einzelhandelsnetz besitzt und es mit verderblichen Waren zu tun hat, die für 300 Kilometer Lieferweg acht Stunden brauchen, dann hat man ein Problem.”

Ein wichtiger Unterschied zwischen Rumänien und anderen osteuropäische Staaten ist der Einsatz der EU-Fördermittel.
Rumänien hat nur ein Drittel der von den EU-Strukturfonds bereitgestellten 20 Mrd. Euro genutzt und kommt damit laut EU- Kommission auf die niedrigste Rate im Staatenverbund von 2007 bis 2013. Polen hat in den vergangenen vier Jahren zehn Mal mehr EU-Mittel in den Straßenbau gesteckt als Rumäniens Transportministerium.
“Polen sollte für Rumänien die Messlatte sein”, meint Christophe de Korver, Chef der rumänischen Sparte von Gefco SA, die Transportdienste für Exporteure wie Dacia-Renault und Ford Motor Co. anbietet. “Mit einer besseren Infrastruktur könnte Rumänien zu einer wichtigen Transit-Drehscheibe Richtung Osten und Schwarzem Meer werden.”

Sechs Milliarden Euro fehlen

Hilfe ist nach Angaben der Regierung unterwegs. Chinesische Investoren seien für die Schnellstraßen, die nicht von der EU finanziert werden, eine Option - wie für die 100 Kilometer lange Route zur Anbindung der rumänischen Stadt Timisoara an Belgrad in Serbien, sagte Ministerpräsident Victor Ponta. Während für eine Ost-West-Route für sechs Mrd. Euro noch immer Mittel fehlen, wurde der von der EU teilfinanzierten Autobahn von Bukarest an die ungarische Grenze eine hohe Priorität eingeräumt, um den Westen des Landes mit dem Hafen von Constanta am Schwarzen Meer zu verbinden. Der Hafen ist nach Kapazität der zweitgrößte Europas.

Dacia-Renault könnte bis zu 30 Euro pro gen Westen geliefertes Auto sparen, wenn die Straße fertiggestellt wird, erklärt Nicolas Maure, Leiter der Rumänientochter des französischen Autoherstellers. “Ich bin zuversichtlich, dass das irgendwann gemacht wird, hoffentlich bis 2020 oder 2022”, sagt Maure im Interview in dem Werk des Unternehmens 130 Kilometer nördlich von Bukarest. “Wenn der Termin Ende 2040 ist, könnte das unsere Investitionspläne beeinträchtigen.”

Für den Brummifahrer Melcescu ist das eine lange Zeitspanne. Er ist jedes Mal erleichtert, wenn er die Grenze des Landes hinter sich lässt. “Derzeit ist es einfach viel leichter von Ungarn nach Spanien oder Portugal zu fahren als Rumänien zu durchqueren”, sagt er.

(Bloomberg)

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