Deutschland: Lokführer „laufen Amok“

Lokfuehrerstreik - Frankfurt
Lokfuehrerstreik - FrankfurtAPA/dpa
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Streik am Wochenende: Ein Machtkampf zwischen zwei Bahngewerkschaften verdirbt Millionen Deutschen die Herbstferien.

Wien/Berlin. Um Deutschen die Zornesröte ins Gesicht zu treiben, genügen in diesen Tagen drei Buchstaben: GDL. Die kleine Gewerkschaft der Lokführer hat im Arbeitskampf gegen die Deutsche Bahn für dieses Wochenende per Streik zum großen Streich angesetzt: 50 Stunden lang stehen alle Züge still, vom Fernverkehr über Gütertransporte bis zur städtischen S-Bahn. Just an einem Wochenende, an dem in sieben Bundesländern Herbstferien beginnen und in zwei enden.

Schon Mitte der Woche hat die Spartengewerkschaft den Zugverkehr 14 Stunden lang zum Erliegen gebracht. Mit ihren Blockaden will sie fünf Prozent mehr Lohn und zwei Stunden weniger Arbeit pro Woche erzwingen. Die Bahn reagiert mit ungewohnt scharfen Worten: „Die GDL läuft Amok.“ Die Gegenseite im Tarifstreit habe „jedes Maß“ verloren, wenn sie Millionen Menschen „ohne Not“ die Ferien verderbe. Und das alles wegen der „Allmachtsfantasien eines Funktionärs“. Damit ist Claus Weselsky gemeint, der Anführer der streitbaren Lokführer. Dieser Scharfmacher unter den deutschen Gewerkschaftern will „durchstreiken bis zum Ende“. Sein Vorgänger Manfred Schell, einst selbst ein knallharter Verhandler, hat aus Protest gegen den kompromisslosen Konfliktkurs den Ehrenvorsitz niedergelegt. Er attestiert seinem Nachfolger, dem er selbst an die Spitze verholfen hat, „grenzenlosen Egoismus“: „Der tut so, als würde er in den Heiligen Krieg ziehen.“ Weselsky selbst gibt unumwunden zu: „Es ist beeindruckend, Macht zu haben.“ Und davon will der 55-Jährige mit dem Schnauzer, der die halbe Republik lahmlegt, noch mehr.

Regierung will Tarifeinheit

Denn im Kern geht es in dem Konflikt gar nicht um höhere Löhne, sondern um den Machtkampf zweier Gewerkschaften. Die GDL schließt bisher nur für die 20.000 Lokführer Verträge ab. Das Gros der Eisenbahner wird von der EVG vertreten. Ihr will die GDL nun das restliche Zugpersonal abspenstig machen: Schaffner, Speisewagenkellner und Rangierführer. Die beiden Gewerkschaften liefern sich einen bizarren Streit um Mitgliederzahlen, um ihre Vertretungsansprüche zu untermauern: Beim übrigen Zugpersonal hat die EVG eine Mehrheit. Wirft man es aber mit den Lokführern in einen Topf, kommt die GDL knapp über die Hälfte. Für die Bahn liegen die Dinge klar: Sie ist bereit, mit verschiedenen Parteien zu verhandeln, solange die vertretenen Mitarbeiterguppen klar abgegrenzt sind. Keinesfalls aber will sie innerhalb einer Gruppe zwei verschiedene Tarifverträge abschließen. Das wäre nicht nur für die Lohnbuchhaltung immens aufwendig, sondern würde auch unter den Mitarbeitern böses Blut machen – etwa bei unterschiedlichen Regelungen für Schichtdienste.

Das fürchtet auch die Große Koalition in Berlin. Die Regierung plant, die Tarifeinheit innerhalb eines Unternehmens durch ein Gesetz sicherzustellen. Dieses Prinzip wurde aber schon einmal gerichtlich gekippt, und auch jetzt gibt es verfassungsrechtliche Bedenken. Sollte das Gesetz dennoch kommen und halten, wäre die Macht der kleinen Spartengewerkschaften gebrochen. Lokführer und Piloten könnten ihre logistische Schlüsselstellung nicht mehr dazu nutzen, das Land in Geiselhaft zu nehmen.

Die GDL befindet sich also in einem Überlebenskampf – und sammelt dabei nicht gerade Sympathien. Schon bevor der Ausstand Samstagnacht begann, entluden sich Ärger und Wut vieler Streikopfer in den sozialen Netzwerken. Ein Eintrag auf Twitter: Ihre Beliebtheit noch weiter senken könne die GDL „nur noch durch öffentliches Verbrennen von Katzenbabys vor ihrer Zentrale“. (gau)

AUF EINEN BLICK

Die deutschen Lokführer streiken wieder: Von Samstag zwei Uhr nachts bis Montag vier Uhr früh stehen alle Züge still, auch Gütertransporte und S-Bahnen. Dahinter steht der Machtkampf zweier Gewerkschaften: Die kleine GDL will von der großen Bahngewerkschaft EVG Mitglieder abwerben und Verhandlungsmandate gewinnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.10.2014)

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