Eurokrise: Spanien, Portugal und Irland als Vorbilder

A general view of the Four Towers Business Area underneath dark clouds in Madrid
A general view of the Four Towers Business Area underneath dark clouds in MadridREUTERS
  • Drucken

Eurokrise ohne Ende? Spanien, Portugal und Irland zeigen Auswege. Die Pleitekandidaten werden zu kleinen Lokomotiven. Der Druck von außen hat geholfen. Woanders fehlt er.

Ein kleines Sonntagsrätsel: Welches Land ist das? Es galt als ein schwer kranker Mann Europas. Der Arbeitsmarkt war verkrustet. Viel zu viele hatten keinen Job. Durch überzogene Lohnabschlüsse litt die Wettbewerbsfähigkeit. Politiker verschleppten Reformen. Bis die Not zum Handeln zwang: Der Staat spart. Die Hürden für Firmen, neue Mitarbeiter einzustellen, fallen. Gewerkschaften halten sich bei Tarifabschlüssen zurück. Siehe da, es hilft: Zuerst ziehen die Exporte an, vor allem in der Automobilindustrie. Dann beleben sich, nach vielen dürren Jahren, Konsum und Immobilienmarkt. Aus dem kranken Mann wird eine Lokomotive.

Wer ist es? Nein, nicht das Deutschland der letzten zehn Jahre ist gemeint. Sondern das Spanien von heute. Der Eben-noch-Pleitekandidat könnte „das nächste Deutschland werden“, hofft Joachim Fels, Chefvolkswirt bei Morgan Stanley. Selbst der neue Schwächeanfall der Eurozone, der von Italien und Frankreich ausgeht, sollte die langsame, aber solide Erholung in der viertgrößten Volkswirtschaft des Währungsraums nicht gefährden. Für das kommende Jahr erwartet die Regierung Rajoy 2,0 Prozent Wachstum – deutlich mehr als in Deutschland.

Der Weg bleibt steinig. Spanien ist kein Einzelfall. Irland, der keltische Tiger, kehrt als keltischer Phönix zurück. Auch Portugal erholt sich. Alle drei standen unter dem Rettungsschirm und dem Regime der Troika (Spanien über die Bankenrettung). Der Druck von außen half den Regierungen, die Rosskuren durchzuhalten. In Frankreich und Italien aber sehen sich die Spitzenpolitiker außer Stande, die Vorgaben aus Brüssel einzuhalten. Wer heute in Europa Hoffnungsträger und wer Sorgenkind ist, lässt sich kaum noch aus Risikoaufschlägen ablesen. Die EZB hält die Zinsen künstlich so niedrig, dass sich bisher alle Finanzminister in Sicherheit wiegen konnten.

Aktuell freilich geraten durch die neue Eurozonen-Skepsis Anleihenkurse und Börsen überall unter Druck. Nur ein Blick auf die fundamentalen Daten – Wachstum, Export, Leistungsbilanz – zeigt an, wie einzelne Staaten wirklich dastehen. Dabei zeigt sich: Die Lehrbücher der Ökonomen stimmen noch. Ihr klassischer Weg aus einer Schuldenkrise, mit Konsolidierung und Strukturreformen, scheint sich in Spanien, Portugal und Irland zu bewähren. Zumindest nutzen die Patienten den Zeitgewinn, den die EZB bietet.

Dabei bleibt der Weg zur Genesung lang und steinig. Spanien hat eine geplatzte Immobilienblase samt Bankenkrise aus der Bahn geworfen. Nun geht das Haushaltsdefizit zurück, liegt aber mit 5,5 Prozent noch deutlich über der Maastricht-Grenze. Damit steigt auch der Schuldenstand weiter an. Die Schlangen vor den Suppenküchen bleiben lang: 24,5 Prozent sind ohne Arbeit, was vom Höchststand von 26 Prozent noch nicht weit entfernt ist.

Aber die Wirtschaft schafft wieder Jobs, das erste Mal seit sieben Jahren. Die Strände sind voll, der Tourismus wächst mit zweistelligen Raten. Geht es so weiter, ist die Lücke zum Wohlstandsniveau vor der Krise in zwei Jahren geschlossen. In Irland sollte es schon nächstes Jahr so weit sein. Euroskeptiker prophezeiten düster: Weil geschwächte Volkswirtschaften im Korsett des Euro nicht abwerten können, seien sie unfähig, sich aus dem Schlamassel zu ziehen. Eine „innere Abwertung“ über sinkende Einkommen würde an schweren sozialen Unruhen scheitern. Wenn überhaupt, droht dieses Szenario nur noch im hoffnungslos überschuldeten Griechenland, dessen Wirtschaftsleistung immer noch um ein Viertel unter der von 2007 liegt.

In Spanien, Portugal und Irland aber ist von Revolten der Krisenopfer keine Rede mehr. Die Franzosen schüren indes geschickt eine andere Angst: Wer von ihnen zu viel Reformeifer und Sparwillen einfordert, verhelfe dem Front National zum Sieg. Bei den wackeren „Programmstaaten“ aber ist auch von rechtsextremen Umtrieben nichts zu spüren. Wer wider Erwarten nicht untergeht, geht oft medial unter. Weshalb er hier zur Sprache kam.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

International

EZB-Bankenaufsicht: Der Interessenkonflikt ist programmiert

Die Europäische Zentralbank hat die Macht über die 120 wichtigsten Banken der Eurozone übernommen. Es ist der wichtigste Integrationsschritt seit Einführung der Gemeinschaftswährung.
Verwaltunggebaeude der europ. Zentralbank in Frankfurt/Main
Die Bilanz

Eine Beruhigungspille gegen den Bankenstress

Der Bankenstresstest der EZB sollte uns nicht in falscher Sicherheit wiegen: Auch wenn der überwiegende Teil der europäischen Großbanken den Test besteht, sind wir von einem stabilen Bankensystem meilenweit entfernt.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.