Die Gaskrise ist vom Tisch

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Kiew zahlt im Winter "nur" 385 Dollar pro 1000 Kubikmeter russisches Gas. Aber woher das Geld dafür kommen soll, ist noch offen.

Kiew/Moskau. Das Gas kann wieder strömen. Nach den Worten von Petro Poroschenko, Präsident der Ukraine, hat sein Land eine vorläufige Einigung mit dem Gaslieferanten Russland erzielt. Bis zum 31. März 2015 fordert die russische Gazprom nur noch 385 US-Dollar (rund 300 Euro) je 1000 Kubikmeter Gas von Kiew. Das sind rund hundert Dollar weniger als zuletzt. „Ich kann sagen, dass die Ukraine Gas und Wärme haben wird“, verkündete Poroschenko in der Nacht auf Sonntag im ukrainischen TV. Die Lösung gilt allerdings nur für den Winter. Im Sommer, wenn die Nachfrage geringer ist, will Kiew nur 325 Dollar zahlen, was Moskau zu wenig ist.

Für den ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk ist der Gasstreit trotz jüngster Fortschritte noch nicht beendet. Russlands Präsident Wladimir Putin verzögere die Lösung mit immer neuen Forderungen. "Ich habe keinen Grund, Putin zu vertrauen", sagte Jazenjuk im ukrainischen Fernsehen. Nun sei ein Abkommen nötig, sagte Jazenjuk. "Eine Vereinbarung braucht Unterschriften, derzeit gibt es nur Gespräche", sagte er.

Deutschland dringt auf die rasche Umsetzung der am Wochenende erreichten Übergangslösung im Gasstreit. "Die Bundesregierung betrachtet eine belastbare Einigung zwischen der Ukraine und Russland als klares Signal einer Deeskalation und ein Bekenntnis zur Stabilisierung", sagte der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter am Montag in Berlin.

Bezahlung im Voraus

Russland hatte seine Gaslieferungen in die Ukraine im Sommer eingestellt, da Kiew die Beinahe-Verdoppelung des Gaspreises nach dem proeuropäischen Umschwung im Land nicht akzeptierte und die Rechnungen nicht beglich. Moskau bezifferte die Schulden zuletzt mit 4,5 Milliarden Dollar.

Bevor nun tatsächlich wieder russisches Erdgas in die Ukraine strömen wird, muss Kiew diese Schulden tilgen, so eine Forderung der Russen. Alle weiteren Gaslieferungen seien im Voraus zu bezahlen.

EU-Gasgipfel am Dienstag

Das stellt das finanziell angeschlagene Land allerdings vor große Herausforderungen. Ohne internationale Hilfen sei das nicht machbar, räumte Poroschenko ein.

Damit dürfte das Problem erneut in Brüssel landen. Die EU, die etwa 15 Prozent ihres Gasbedarfs mit russischem Erdgas deckt, das durch ukrainische Leitungen kommt, hat großes Interesse daran, eine neuerliche Eskalation des wiederkehrenden Gasstreits zu verhindern. Sie fürchtet eine Neuauflage der Gaskrisen aus den Jahren 2006 und 2009, als auch in der EU Menschen im Winter vor Kälte starben. In diesem Winter sei man zwar besser gerüstet, versicherte die EU-Kommission erst am Donnerstag. Ein Gas-Stresstest habe ergeben, dass auch ein kompletter Lieferstopp der Gazprom kein EU-Land in ernsthafte Schwierigkeiten bringen würde, da die Speicher prall gefüllt seien und alternative Versorgung möglich wäre.

Dennoch wird EU-Energiekommissar Günther Oettinger am heutigen Montag in Kiew zu Gas-Gesprächen mit der prowestlichen Führung der Ukraine erwartet. Am Dienstag könnten dann am „Gasgipfel“ in Brüssel bereits Nägel mit Köpfen gemacht werden. Dort treffen sich Vertreter Russlands, der Ukraine und der EU-Kommission.

Brüssel soll für Kiew bezahlen

Wladimir Putins Wunschergebnis ließ er seine Gesprächspartner schon im Vorfeld wissen: Die Europäische Union solle die Rechnung der Ukraine übernehmen. Solange das Land seine Schulden nicht begleiche, gebe es kein Gas. Daher müsse eben die EU einspringen und der Ukraine das Geld in Form eines Überbrückungskredites vorstrecken oder entsprechende Garantien der renommierten europäischen Kreditgeber vorweisen. Konkret geht es um eine erste Tranche von 1,6 Milliarden US-Dollar, die bis Ende des Jahres zu bezahlen seien.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko brachte auch alternative Geldgeber ins Spiel: Er baut auf den Internationalen Währungsfonds (IWF), der Mitte November ins Land kommt, um über ein weiteres Hilfsprogramm zu verhandeln. Der ukrainische Politiker hofft auf eine rasche Einigung, sodass die internationalen Hilfen bis Mitte Dezember fixiert werden könnten. (auer)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2014)

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