Japans Pyrrhussieg im Währungskrieg

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In der Welt nach der Krise ist das Industrieland mit der schwächsten Währung König. Aber kann ein Abwertungswettlauf ewig weitergehen?

Wien. Es sind gute Nachrichten – zumindest oberflächlich: Japan scheint mit seinem Abenomics-Programm, benannt nach dem Premierminister Shinzō Abe, Erfolg zu haben. Die Exporte sind im September um knapp sieben Prozent gewachsen – die Importe um 6,2 Prozent. Positiv für Japan, dessen Wirtschaft vom Export getrieben wird – und das im August einen Schock erlebte, weil die Ausfuhren um 1,3 Prozent zurückgingen. Es scheint also alles wieder in die richtige Richtung zu gehen für den Inselstaat.

Aber der Erfolg sieht im Jahr 2014 ein bisschen eigenartig aus, denn hinter dem einschüchternden Begriff Abenomics steckt nicht viel mehr als eine Abwertung der eigenen Währung Yen mit einer bisher kaum gesehenen Intensität. Japan will mit monetären und anderen preissteigernden Maßnahmen wie einer Erhöhung der Mehrwertsteuer die Inflation anheizen und die Japaner zum Konsum treiben. Ein Erfolg: Der Yen ist seit Juni um 5,3 Prozent im Wert gefallen.

Es gibt nur ein Problem: Die Regierung in Tokio ist beileibe nicht die einzige mit solchen Ideen. Schon 2010 hat der brasilianische Finanzminister Guido Mantega diesem weltweiten Abwertungsrennen den Namen Währungskrieg verpasst – und der martialisch anmutende Begriff passt auch. Es ist eine Beggar-thy-Neighbor-Politik, sagt HSBC-Währungsexperte David Bloom – also eine Plünderung der Nachbarn, die hier passiert – wobei Nachbarn in der globalisierten Welt ein dehnbarer Begriff ist. „Es geht um Deflation. Um den Export von deflationären Problemen in andere Länder“, so Bloom.

Europa importiert Deflation

Nachdem die Wirtschaftskrise im Kern die Folge einer viel zu raschen und nicht mehr nachhaltigen Kreditausweitung war, ist Disinflation, also fallende Inflationsraten, die logische Folge. Unternehmen und Investoren bauen Risken ab – und Banken schränken die Kreditvergabe ein. Dieses Deleveraging (oder: Enthebelung) lässt die Geldmenge schrumpfen und in der Folge fallen die Inflationsraten – auch eine Deflation und fallende Preise sind möglich.

Die letzte Finanzkrise war aber so dramatisch, dass die Zentralbanken sich zu raschem Eingreifen gezwungen sahen, um einen totalen Kollaps des Finanzsystems zu verhindern. Die Folge waren Zinsen fast am Nullpunkt und diverse Gelddruck-Programme, die das Deleveraging der Marktteilnehmer ausgleichen sollten – und auch für die Politiker attraktiv waren, weil viel Geld in vermeintlich sichere Staatsanleihen fließt – sowohl aus den Zentralbanken als auch von verunsicherten Investoren.

Das hat den Währungskrieg ausgelöst, weil viele Länder in einer Schwächung der eigenen Währung einen Vorteil für die eigene Exportwirtschaft in schwierigen Zeiten sahen. Das Zentralbankgeld sollte die Banken wieder zur Kreditvergabe anregen und langfristig für Inflation sorgen, die wiederum die Last der Staatsschulden verringert hätte. Das war zumindest der Plan. Aber die Phase hoher Inflation nach der Krise währte nur kurz. Die Konjunktur ist zwar wieder angesprungen – aber schon jetzt stehen wir wieder vor ähnlichen Problemen wie 2008.

Auch Europa kann sich dem nicht entziehen – gerade weil die EZB eine relativ härtere Geldpolitik fährt und zum Beispiel keine Staatsanleihen kauft, um Regierungen zu helfen. Deswegen ist das Deflations-Problem in Europa auch am größten. Das muss zwar nicht unbedingt schlecht sein. Denn die Deflationsgefahr ist eben eine Folge der Krise – schlechte Investments werden abgebaut. Aber wenn dank des Währungskriegs auch noch importierte Deflation dazukommt, ist das ein Problem. Die EZB bastelt deswegen an neuen Lockerungsmaßnahmen, und der Euro wird im kommenden Jahr auch abwerten, Experten erwarten ein Minus von 5,6 Prozent. Der Yen soll um 6,1 Prozent fallen.

Trotzdem gilt: Die Krisen-Bereinigung durch Gelddrucken zu verhindern mag kurzfristig helfen – steht einer echten Erholung aber im Weg. Wäre Währungsabwertung wirklich eine Lösung, wir würden Argentinien als Wirtschaftswunderland feiern – denn der Peso ist praktisch wertlos.

Die Abwertungs-Spirale wird sich trotzdem erstmal weiterdrehen. Der US-Dollar steigt derzeit im Wert, weil die Fed eine Straffung der Geldpolitik in Aussicht gestellt hat. Aber wie lange wird Washington das durchhalten können? Schon gibt es erste Berichte, dass der „starke Dollar“ auf die Profite von US-Riesen wie Coca-Cola oder McDonalds drückt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2014)

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