"EU ist durstiger Vampir": Briten schulden Brüssel 2,1 Milliarden Euro

The Big Ben clock tower and the Houses of Parliament are seen in pre-dawn light on a foggy morning in central London
The Big Ben clock tower and the Houses of Parliament are seen in pre-dawn light on a foggy morning in central LondonREUTERS
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Eine Neuberechnung der Wirtschaftsdaten wirkt sich auch auf das EU-Budget aus: Während Österreich hunderte Millionen zurückbekommen dürfte, soll Großbritannien Milliarden nachzahlen. Doch der Widerstand ist groß.

Eine neue Berechnungsmethode und korrigierte Konjunkturdaten kosten Großbritannien einen Milliardenbetrag: Das Land muss mit rund 2,1 Milliarden Euro am meisten für das EU-Budget 2014 nachzahlen. Die EU-Kommission bestätigte der Nachrichtenagentur AFP den Betrag, den die "Financial Times" veröffentlichte. 19 Staaten dürften dem Bericht zufolge von der Neuberechnung profitieren, darunter Österreich mit fast 300 Millionen Euro (siehe Grafik). Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) sagte, er sei natürlich erfreut, "wenn zusätzliches Geld ins Haus kommt", aber er könne noch nicht sagen, ob diese Berechnungen so stimmen. Die Briten müssten jedenfalls bezahlen, so Faymann.

Im EU-kritischen Großbritannien sorgt die Nachzahlung indes für Empörung. "Es ist einfach nicht akzeptabel, die Beiträge für vergangene Jahre zu ändern und sie dann von einem Moment auf den anderen einzufordern", reagierte ein britischer Regierungsvertreter. "Die EU-Kommission hat dieses Geld nicht erwartet und braucht das Geld daher nicht und wir werden daher mit anderen betroffenen Ländern zusammenarbeiten, um alles zu tun, um das anzufechten", sagte der britische Regierungsvertreter am Rande des EU-Gipfels in Brüssel.

Cameron: "Zahle diese Rechnung nicht"

David Cameron forderte ein Sondertreffen der Finanzminister. "Ich zahle diese Rechnung zum 1. Dezember nicht. Das wird nicht passieren", so der britische Premier. Er habe am Donnerstag von der Höhe des betrags erfahren. Auch andere Länder würden das Vorgehen der Kommission nicht goutieren. Er stelle sich dabei völlig hinter die Aussage des italienischen Regierungschefs Matteo Renzi: "Das ist keine Zahl, das ist eine tödliche Waffe."

Auch sein niederländischer Kollege Mark Rutte, der mit einer Nachzahlung von mehr als 600 Millionen Euro konfrontiert ist, meinte: "Diese Nachricht ist eine unschöne Überraschung und wirft viele Fragen auf."

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) beharrt unterdessen darauf, dass Cameron bezahlen muss: "Wenn nicht am 1. Dezember, wird er am 2. Dezember zahlen".

Wahlen in Großbritannien

Cameron ist auch deshalb unter Zugzwang, weil sich seine konservative Partei im kommenden Mai Parlamentswahlen stellen muss. Bei den Europawahlen im Frühjahr wurden die EU-Gegner (UKIP) in Großbritannien stärkste Kraft. "Das ist einfach empörend", so deren Chef Nigel Farage: Cameron habe versprochen, die Zahlungen an die EU zu verringern - doch nun steige der Betrag. "Die EU ist wie ein durstiger Vampir, der sich vom Blut der britischen Steuerzahler ernährt."

Bei der EU-Kommission versteht man die Aufregung nicht: Wenn sich im Herbst eines jeden Jahres herausstelle, dass die Wirtschaft eines Mitgliedslandes stärker gewachsen sei als vom Land selbst zuvor angenommen, erhöhe sich der jeweilige Beitrag für das EU-Budget, hieß es auf Anfrage. Falls das Wirtschaftswachstum hingegen niedriger ausfalle (wie etwa in Österreich oder Deutschland), gebe es Rückzahlungen. "Der höhere Beitrag Großbritanniens spiegelt eine Erhöhung des Wohlstands wider, so wie jeder Brite auch in Großbritannien mehr an das Finanzamt zahlen muss, wenn seine Einnahmen steigen“, so EU-Sprecher Patrizio Fiorilli.

Neue BIP-Berechnung

Die neuen Zahlen sind aber auch Folge der von der EU-Statistikbehörde Eurostat eingeführten Neuerung, wonach bei der Berechnung des Bruttoinlandsproduktes (BIP) nun etwa auch illegale Wirtschaftsbereiche wie Prostitution und Drogenhandel sowie Investitionen berücksichtigt werden. Etwa 70 Prozent des EU-Budgets werden aus den Hauptstädten in einer Art Mitgliedsbeitrag nach Brüssel überwiesen. Er richtet sich nach der Wirtschaftsleistung der Länder.

(APA/AFP/dpa/red.)

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