Der Weg zum Wohlstand wird härter

A woman wearing a mask walks on a street on a hazy day in Beijing
A woman wearing a mask walks on a street on a hazy day in Beijing(c) REUTERS
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Analyse. Schwellenländer brauchen ein neues Geschäftsmodell. Die bisherige Wachstumsmaschine Industrie kommt künftig ohne Menschenmassen aus. Dienstleistungen reichen als Ersatz nicht.

Wien. Fabriken. Seit über 200 Jahren stehen sie am Beginn jedes wirtschaftlichen Aufstiegs einer Nation. Großbritannien, Deutschland und Japan sind mit der Industrialisierung zu Weltmächten geworden. China folgte ihnen in den 1960er-Jahren bereits auf einen gut ausgetrampelten Wachstumspfad. Hunderttausende Chinesen zogen als Fabrikarbeiter in die Städte. So wurden sie aus der Armut katapultiert – und China stieg zur zweitgrößten Wirtschaftsmacht der Welt auf.
Doch die Volksrepublik könnte eines der letzten Länder gewesen sein, für das dieses Modell funktioniert hat, warnen Ökonomen. Für die Schwellenländer von heute dürfte der Weg zum Wohlstand beschwerlicher werden. Ihnen droht eine De-Industrialisierung, noch bevor sie reich geworden sind, schreiben etwa Ejaz Ghani und Stephen D. O'Connell in einem aktuellen Bericht der Weltbank.

(c) Die Presse


Empirische Nachweise gibt es viele: In den meisten Niedriglohnländern Südostasiens und Afrikas schrumpft der Anteil der Industrie an der Wirtschaftsleistung schon seit Längerem. Sie haben den Sprung auf die Konjunkturlokomotive, die China, Vietnam oder Südkorea nach oben gezogen hat, verpasst (siehe Grafik).
Daran dürfte sich so bald auch nichts ändern. Denn der Plan, einfach darauf zu warten, dass China so reich und träge geworden ist, dass es mit den Billiglohnländern nicht mehr konkurrieren kann, geht nicht auf. Zu groß ist die Gefahr, dass auch China auf dem Weg an die Spitze stecken bleiben könnte.
Seit den 1960er-Jahren hat es nur ein Dutzend Staaten – wirtschaftlich betrachtet – ganz nach oben geschafft. Südkorea und Taiwan zählen dazu. Andere, wie etwa Thailand, blieben auf halbem Weg zurück. Ab einem Bruttoinlandsprodukt von 10.000 US-Dollar pro Kopf haben viele Entwicklungsländer mit Wachstumsproblemen zu kämpfen, sagt Barry Eichengreen. Der Berkeley-Ökonom untersuchte 40 Entwicklungsländer zwischen 1957 und 2010. China kommt der Grenze gerade ziemlich nahe.

Maschinen statt Menschen

Derzeit steht die Volksrepublik vielen Neuankömmlingen noch im Weg. „Die meisten afrikanischen Produzenten werden mit billigen Importen aus China angegriffen“, schreibt Dani Rodrik, weltweit führender Entwicklungsökonom. Ihnen bleibt nicht mehr übrig, als in die weniger lukrativen Nischen auszuweichen.
Noch dramatischer schätzt Rodrik aber den Einfluss der technischen Entwicklung auf die Chancen der Schwellenländer ein. Die Pläne von Sportartikel-Giganten Adidas geben die Richtung klar vor: In Zukunft sollen nicht mehr Vietnamesen die Schuhe der Europäer und Amerikaner zusammenkleben, sondern Roboter, verkündete der Konzern. Bei Handy-Bauer Foxconn, dem größten Arbeitgeber Chinas, hören die Angestellten dieselbe Parole. Die Industrie von morgen braucht keine Menschenmassen mehr. Stattdessen braucht sie viel Kapital und Know-how. Beides ist in Entwicklungsländern jedoch meist Mangelware.
Was ihnen bleibt, sind einfache Fertigungen wie etwa in der Textilindustrie. Damit lassen sich allerdings keine Wachstumsraten mehr erzeugen, die ein Land entscheidend nach vorn brächten.
Die Schwellenländer brauchen ein neues Wachstumsmodell. Optimisten wie die Weltbank-Ökonomen Ghani und O'Connell sagen: Kein Problem. Dienstleistungen werden diese Lücke füllen. Doch die Sache hat einen Haken, schreibt Dani Rodrik. Nur wenige Länder können ihre Dienstleistungen wirklich gewinnbringend ans reiche Ausland verkaufen. Selbst im Vorzeigeland Indien machen IT-Dienstleistungen nur einen kleinen Anteil am BIP aus.
Der Großteil der Dienstleistungen lässt sich nicht exportieren. So landen viele Menschen, die in Entwicklungsländern heute in die Stadt ziehen, in Dienstleistungsjobs für den lokalen Markt. Die sind schlecht bezahlt, wenig produktiv und versprechen kaum große Wachstumssprünge für Menschen oder die Volkswirtschaft. Die Zeit des schnellen Aufstiegs ist vorbei, sagt Rodrik. Er sieht nur einen Weg: Entwicklungsländer müssten sich langsam nach oben arbeiten und die eigenen Leute als Käufer aufbauen.

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