Konjunktur: Was tut Merkel für die Wirtschaft?

Berlin Bundeskanzlerin Angela Merkel CDU am Montag 27 10 2014 bei einer Pressekonferenz nach bi
Berlin Bundeskanzlerin Angela Merkel CDU am Montag 27 10 2014 bei einer Pressekonferenz nach bi(c) imago/CommonLens (imago stock&people)
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Der Ifo-Geschäftsklimaindex sinkt zum sechsten Mal in Folge. Die Stimmung unter deutschen Unternehmern ist auf dem Tiefpunkt. Nun wird Kritik an Kanzlerin Merkel laut.

München. Eigentlich war für Montag Entspannung angesagt. Der Banken-Stresstest der Europäischen Zentralbank sollte für Klarheit und Transparenz sorgen und damit auch für Ruhe an den Börsen. Denn schlimmer als schlechte Nachrichten ist die Unsicherheit. Doch es kam anders. Das renommierte Münchner Ifo-Institut veröffentlichte seinen monatlichen Geschäftsklimaindex und sorgte damit – genau – für anständige Verunsicherung.

Denn zum sechsten Mal in Folge sank dieser Richtwert. Das ist in der Vergangenheit selten der Fall gewesen. Und wenn, dann war die Lage dramatisch. Dieser Ifo-Index ist nämlich nicht ein von Volkswirten berechneter Indikator. Das Institut befragt direkt die Unternehmen. Es sind circa 7000 Firmenchefs des verarbeitenden Gewerbes, des Groß- und Einzelhandels, die zwei Fragen beantworten müssen: Wie ist die gegenwärtige Geschäftslage? Und: Wie schätzen Sie die kommenden sechs Monate ein?

Und weil dieses System so simpel ist, quasi als Fieberthermometer der Wirtschaft gesehen wird, hat es für Ökonomen, Politiker und Börsen eine derart große Bedeutung. Der Index stand im Oktober also bei 103,2 Punkten. Im September waren es noch 104,7. So schlecht war die Stimmung unter deutschen Firmenchefs zuletzt vor knapp zwei Jahren. Es ist vor allem der doch ziemlich deutliche Absturz, der den Kommentatoren die Sorgenfalten auf die Stirn treibt. Auch in Österreich. Deutschland ist nicht nur Österreichs wichtigster Handelspartner. Deutschland war die viel zitierte Lokomotive der europäischen Wirtschaft. War? Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass der Lok der Dampf ausgeht.

„Das weltwirtschaftliche Umfeld bremst die Exportunternehmen und Investitionsgüterhersteller“, sagte KfW-Chefvolkswirt Jörg Zeuner am Montag. Wer nicht an die Zukunft glaubt, investiert nicht. Wer nicht investiert, schafft und sichert keine Arbeitsplätze. Es ist eine alte Binsenweisheit, die in den Stehsatz mündet: Europa braucht Wachstum. Das meint auch Ökonom Zeuner. „Gerade für Wachstum in Europa haben wir aber noch kein Rezept gefunden“, betont er und attestiert, dass Deutschland und Europa bis ins neue Jahr nicht viel mehr als Stagnation erwarten dürfen.

So schnell kann es gehen. War die Stagnation, der Stillstand, vor einem halben Jahr das Gespenst der Zukunft, so ist es nun für so manchen Ökonomen das Höchste der Gefühle. „Die konjunkturellen Aussichten haben sich nochmals verschlechtert“, sagte Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn.

Kritik an Merkels Politik

Jetzt könnte man meinen: Eine schlechte Konjunkturnachricht mehr. Schließlich hagelt es seit Wochen negative Schlagzeilen. Die Exporte sinken, die Industrieproduktion geht zurück, die Wirtschaftsforscher revidieren die Wachstumsdaten dramatisch nach unten. Die deutsche Regierung erwartet heuer 1,2Prozent Wachstum, noch vor einem halben Jahr war sie von knapp zwei Prozent ausgegangen. Mussten bis vor Kurzem in Deutschland die geopolitischen Spannungen von der Ukraine bis zum Nahen Osten als Grund für die schlechten Wirtschaftsdaten herhalten, so ortet der deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) nun die Hauptschuld an der Misere in der Politik der Bundesregierung unter Angela Merkel.

„Die heimische Wirtschaftspolitik verunsichert die Unternehmen zunehmend – vor allem den Mittelstand“, sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. Besonders sauer stößt den Unternehmerverband auf, dass die schwarz-rote Koalition in Berlin die Rente mit 63 beschlossen und einen Mindestlohn eingeführt hat. Und die DIHK rechnet im nächsten Jahr nicht wie die Bundesregierung mit 1,3Prozent Wachstum, sondern lediglich mit 0,8Prozent.

Andere Experten kritisieren, dass sich die deutsche Regierung auf den Lorbeeren der Vergangenheit ausruht. Die letzte Reform liege sieben Jahre zurück. Deutschland brauche dringend eine Steuerreform, eine Entlastung des Faktors Arbeit, hallt es. Zumindest in diesem Punkt ist Österreich dem Nachbarn einen Schritt voraus. (gh)

AUF EINEN BLICK

Der Ifo-Geschäftsklimaindex stürzte im Oktober von 104,7 auf 103,2 Punkte ab. Das ist der tiefste Wert seit fast zwei Jahren. Zum sechsten Mal in Serie sank der Index, der die gegenwärtige Situation und die Erwartungen von 7000 deutschen Unternehmen misst.

Unternehmervertreter schlagen Alarm und üben Kritik an der deutschen Regierung, welche die Rente mit 63 und den Mindestlohn beschlossen hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2014)

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