Kanada „entdeckt“ erneuerbare Energie

(c) EPA (BARBARA WALTON)
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Exportchancen für österreichische Unternehmen – abseits der Kfz-Industrie.

WIEN. In Yellowknife, der Provinzhauptstadt der kanadischen Northwest Territories, wird es dieser Tage schon ziemlich frisch. Das ist wenig verwunderlich, denn Yellowknife liegt nur knapp 500 Kilometer südlich des Polarkreises. Dass weder die Insassen des örtlichen Jugendgefängnisses noch die Besucher der Highschool in diesem Winter kalte Füße bekommen, ist einer österreichischen Firma zu verdanken. Die Maschinenbaufirma Binder aus Bärnbach in der Steiermark hat nämlich drei Containerheizwerke, die mit Holzpellets befeuert werden, an Yellowknife geliefert.

Dieses originell klingende Projekt ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie österreichische Firmen aus dem Bereich der Alternativenergie in Kanada Fuß fassen können, sagt Karl Schmidt, der nach sieben Jahren scheidende österreichische Handelsdelegierte in Toronto, im Gespräch mit der „Presse“. „Kanada hat die größten Süßwasser- und Waldreserven der Welt“, erklärt er. „Bis jetzt wurde das aber praktisch kaum genutzt. Man hat etwa nur das Bauholz aus den Stämmen herausgeschnitten und den Rest im Wald gelassen.“ Erst jetzt kommt man in Kanada, das trotz großer Teersand- und Uranvorkommen im Sinne des Klimaschutzes die erneuerbaren Energieträger forciert, auf die Idee, die reichlich vorhandene Biomasse effizient zu nutzen.

Das betrifft natürlich auch die Umwandlung von Getreide in Treibstoff. Kanada ist der weltgrößte Getreideexporteur, ein Drittel der globalen Ausfuhren stammt allein aus der westlichen Provinz Saskatchewan. Allerdings verwendet man, anders als beim südlichen Nachbarn USA, wo aus Mais Ethanol destilliert wird, in Kanada in erster Linie Saaten der Rapspflanze Canola, um daraus Diesel zu raffinieren. „Natürlich sind diese Treibstoffe auch in Kanada angesichts der Lebensmittelverteuerung ins Gerede gekommen. Die Kritik ist aber nicht so stark wie in Europa“, meint Schmidt, der nunmehr Handelsdelegierter in den Niederlanden ist.

Außenhandel verdoppelt

Der Handel zwischen Österreich und Kanada hat sich von 2001 bis 2007 ungefähr verdoppelt, wobei Österreich ungefähr dreimal mehr nach Kanada liefert als Kanada nach Österreich. Größter österreichischer Exportschlager sind übrigens Motoren für Skimobile, danach folgen – Konsequenz der engen Verflechtung mit dem Autozulieferer Magna – Autos. Stichwort Magna: Der Konzern des Austrokanadiers Frank Stronach steht nach Einschätzung des Handelsdelegierten trotz der Krise der US-Autoindustrie „noch immer gut da“. Denn ständig geraten kleinere Zulieferunternehmen in Schwierigkeiten, was Magna die Möglichkeit eröffnet, sie billig zu kaufen und so seinen Marktanteil zu vergrößern. Und so steigt Magnas „Content per Vehicle“, also der Anteil der selbst hergestellten Bestandteile pro Auto.

Diffiziler ist die Lage für österreichische Winzer, die Wein nach Kanada exportieren wollen. Die Provinzen reglementieren die Einfuhr von Alkoholika nämlich über Weinmonopole, die wiederum nur daran interessiert sind, möglichst großen Umschlag zu machen. Diese „Warenhausmentalität“, beklagt Schmidt, mache es den im internationalen Vergleich sehr kleinen österreichischen Weingütern fast unmöglich, in den kanadischen Markt zu kommen. „Das Schaurige ist noch dazu, dass das Weinmonopol nicht nachbestellt, wenn sich ein Wein gut verkauft, weil sie vorgeben, auch anderen Anbietern eine Chance geben zu wollen“, sagt Schmidt.

Österreichisches Bier hingegen kann man in einigen kanadischen Brauereien, deren Schanklizenzen auch fremde Biersorten umfassen, schon trinken. Allerdings erst nach einer Unterschriftenaktion, in der sich rund 8000 Petenten dafür aussprachen. Wobei die Fürsprache einst in Österreich tätiger Eishockeyspieler, die ihr Stiegl, Gösser oder Kaiser vermissten, recht nützlich gewesen sein soll.

Von Finanzkrise verschont

Die Finanzkrise habe Kanada bisher noch verschont, weil die Banken bei der Kreditvergabe viel vorsichtiger seien als ihre Konkurrenten südlich der Grenze. Dazu kommt, dass das Land seit einem Jahrzehnt Budgetüberschüsse erzielt. „Die werden auch tatsächlich zum Großteil dafür verwendet, um Schulden zurückzuzahlen“, sagt Schmidt. Folglich betragen Kanadas Staatsschulden heute, knapp eine Woche vor den vorgezogenen Wahlen am 14. Oktober, rund 27 Prozent der Wirtschaftsleistung. Also nicht einmal die Hälfte der österreichischen Schuldenlast.

Auf einen blick

Kanada ist für Österreich ein wichtiger Exportmarkt, Exportschlager sind Motoren für Skimobile und Autos. Weil Kanada nun verstärkt auf erneuerbare Energie setzt, könnten österreichische Firmen mit ihrem Know-how dort Fuß fassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.10.2008)

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