300 holländische Steuermillionen hängen in Islands Pleite-Banken

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landsbanki(c) EPA (BRYNJAR GAUTI)
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Niederländische Städte und Provinzen setzten auf die hohen Zinsen, die in Island gezahlt werden. Hunderte von Millionen dürften dabei nun verloren gehen.

den Haag. Millionen von niederländischen Steuergeldern sind im Sog der Finanzmarktkrise in den Geysiren isländischer Banken verdampft. Denn wie jetzt erst nach und nach bekannt wird, haben unzählige niederländische Städte und Provinzen ein Vermögen auf Konten von isländischen Banken geparkt. Bei der isländischen Bank Landsbanki und deren 100-prozentiger Tochter Icesave zahlten sie mindestens 250 Mio. Euro, wahrscheinlich aber sogar mehr als 300 Mio. Euro ein. Großanleger war die Provinz Nord-Holland, die rund 80 Mio. Euro der isländischen Bank Landsbanki anvertraut hat. ,,Ich habe schlaflose Nächte. Das Geld in Island ist wahrscheinlich weg“, klagt der für die Geldanlage zuständige Minister von Nord-Holland Ton Hooijmaijers.

Ihn treffe aber keine Schuld. Denn bevor er das Geld auf ein Konto der Landsbanki in Island überwiesen habe, habe er sich bei der niederländischen Notenbank erkundigt, ob die isländische Bank eine zuverlässige Adresse sei. Das habe man dort bejaht, behauptet er. Hooijmaijers legte aber nicht nur Steuergelder der Provinz Nord-Holland im hohen Norden an, sondern auch in Deutschland. Aber auch dort hatte er ein unglückliches Händchen. Denn 20,2 Mio. Euro an niederländischen Steuergeldern vertraute er der deutschen Dépendance der US-Investmentbank Lehman Brothers. Die Bank ist inzwischen aber pleite. Nun hofft der holländische Regionalpolitiker, dass die deutsche Bundesregierung für die 20,2 Mio. Euro geradesteht und ihm das Geld zurück nach Holland überweist. ,,Die deutsche Regierung hat schließlich eine Garantie für alle Geldanlagen in der Bundesrepublik gegeben, sagt Hooijmaijers.

Aber es ist nicht nur die niederländische Provinz Nord-Holland, die von den hohen Zinsen, die isländische Banken bis vor Kurzem boten, profitieren wollte. Zahlreiche niederländische Städte und Provinzen taten dasselbe. Von Groningen (30 Mio. Euro) bis Zeeland (zwölf Mio. Euro), alle haben sie ihre liquiden Mittel aus Steuergeldern in Island geparkt. Sogar die kleine Wattenmeer- und Urlaubsinsel Texel überwies acht Mio. Euro auf ein Konto bei der isländischen Landsbanki. Die Nachbarstädte Den Haag und Pijnacker parkten im Land der Geysire 22 Mio. Euro, Hollands älteste Stadt Dordrecht zwölf Mio. Euro. Und so ließe sich die Liste weiter fortsetzen.

Finanzielle Engpässe in den Budgets

Nun droht ihnen allen der Totalausfall ihres bei Landsbanki angelegten Geldes. Dies würde enorme finanzielle Engpässe in den öffentlichen Haushalten bedeuten. Bestimmte Infrastrukturprojekte werden nicht mehr oder nur noch schwierig finanzierbar sein. Der Ruf nach Hilfe von der Zentralregierung in Den Haag wird immer lauter. Die aber hat sich in den vergangenen Tagen finanziell schon mächtig ins Zeug gelegt. Die Haager Regierung gab eine Bürgschaft für interne Bankgeschäfte in Höhe von 200 Mrd. Euro. Sie kaufte zum Preis von 16,8 Mrd. Euro von der zusammengebrochenen Bank Fortis alle niederländischen Aktivitäten, inklusive der ABN Amrobank. Sie stellte weitere 20 Mrd. Euro zur Rettung von in Zahlungsschwierigkeiten steckenden holländischen Geldhäusern zur Verfügung.

Sollte die Haager Regierung jetzt auch noch für die drohenden Verluste in den Städten und Provinzen aufkommen müssen, dann würden wohl weitere 300 Mio. Euro oder mehr fällig werden. Denn derzeit wird gerade evaluiert, wie viel an niederländischen Steuergeldern nach Island überwiesen worden ist. Die niederländische Notenbank (DNB) und der Generalstaatsanwalt des Oranjestaates bemühen sich nun ebenfalls, die Steuermillionen aus Island wieder herauszufischen. Doch die Chance, dass das gelingt, wird als relativ gering erachtet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2008)

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