Verzockte Industrieller seinen Pharmakonzern?

Adolf Merckle
Adolf Merckle(c) EPA (Stf)
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Dem deutschen Milliardär Adolf Merckle droht nach missglückten Spekulationen der Verlust seiner Firma. Mit einem geschätzten Vermögen von 7,3 Mrd. Euro ist der Selfmade-Milliardär der fünftreichste Bürger Deutschlands.

wien (jaz). Adolf Merckle ist ein erfolgreicher Mann. Sein Name findet sich auf der berühmten Liste der globalen Milliardäre des US-Magazins „Forbes“ auf dem prominenten 94. Platz. Mit einem geschätzten Vermögen von 7,3 Mrd. Euro ist der Selfmade-Milliardär der fünftreichste Bürger Deutschlands. Auf seinem Landgut Hohen-Luckow im deutschen Bundesland Mecklenburg-Vorpommern fand 2007 das G8-Treffen der Regierungschefs der wichtigsten westlichen Industrienationen statt.

Erworben hat er sein Vermögen mit einer „Nase für gute Geschäfte“, wie das deutsche „Manager-Magazin“ einmal schrieb. Auch riskante Geschäfte sollen ihm dabei nicht fremd gewesen sein. Nun dürfte ihn seine Nase jedoch im Stich gelassen haben. Denn laut deutschen Medienberichten hat er durch Spekulationen mit VW-Aktien im Oktober rund eine Mrd. Euro verloren. Nun dürfte er deswegen auch seinen Pharmakonzern Ratiopharm verkaufen müssen.

Bis zu 30 Mrd. Euro sollen Spekulanten innerhalb von wenigen Tagen durch die Kapriolen der VW-Aktie Ende Oktober verloren haben, wie bereits mehrfach berichtet. Hintergrund war, dass die Spekulanten auf fallende Kurse bei VW gesetzt hatten und sogenannte Leerverkäufe tätigten. Das bedeutet: Sie liehen sich gegen Gebühr VW-Aktien, verkauften diese, um sie bei fallenden Kursen günstiger zurückzukaufen und sie den Besitzern zu einem vereinbarten Termin zurückzugeben. Anfang Oktober sollen rund 15 Prozent aller VW-Aktien „leer“ verkauft worden sein.

Was die Spekulanten nicht wussten: Porsche hatte inzwischen 75 Prozent aller VW-Aktien unter Kontrolle gebracht. Da weitere 20 Prozent der VW-Anteile vom Land Niedersachsen gehalten wurden, waren nur noch fünf Prozent der Aktien an der Börse verfügbar. Deshalb waren kaum noch Aktien am Markt, die von Leerverkäufern gekauft werden konnten, um sie den Besitzern zurückzugeben. Die Spekulanten mussten also rasch Aktien kaufen – die Preise schnellten angesichts des dünnen Angebots und der hohen Nachfrage innerhalb kürzester Zeit von 200 auf über 1000 Euro in die Höhe.

Bislang vermutete man vor allem Hedgefonds hinter den Spekulanten, die Milliarden verloren haben. Bei Merckle handelt es sich jedoch um einen 74-jährigen Industriemagnaten, der sich offenbar zu einer größeren Zockerei hinreißen ließ. Der Industrielle und seine Familie geben sich zu den Vorgängen naturgemäß zugeknöpft. Sie sollen inzwischen aber bereits mit einer Gruppe von etwa 40 Banken über einen Überbrückungskredit verhandeln. Auch über eine Bürgschaft des Landes Baden-Württemberg soll bereits gesprochen werden. Schlussendlich dürfte Merckle aber nicht darum herumkommen, mit Ratiopharm eines der Herzstücke seines Firmenkonglomerats mit rund 30 Unternehmensbeteiligungen, zu verkaufen.

Größter Generikahersteller Europas

Mit Ratiopharm würde Merckle den Grundstein für seinen Reichtum verlieren. Merckle baute das Unternehmen in den frühen 70er-Jahren auf, nachdem er von seinem Vater eine kleine Arzneimittelfabrik mit 80 Mitarbeitern geerbt hatte. Inzwischen ist der in Ulm beheimatete Pharmakonzern der größte Generikahersteller Europas. Von keinem anderen Pharmakonzern werden in Deutschland so viele Medikamente verschrieben wie von Ratiopharm. Der Wert des Unternehmens, das zuletzt einen Umsatz in der Höhe von 1,8 Mrd. Euro pro Jahr und hohe Gewinnmargen erzielt hat, wird auf fünf Mrd. Euro geschätzt.

Mit den bei Ratiopharm erzielten Gewinnen konnte Merckle in den vergangenen Jahren weitere Unternehmen kaufen. Neben Ratiopharm besitzt er unter anderem noch Phoenix, den größten Pharmagroßhändler Deutschlands, der mit rund 22.000 Mitarbeitern zuletzt 20,7 Mrd. Euro Umsatz erzielen konnte. Außerdem gehören ihm 80 Prozent des größten deutschen Baustoffkonzerns Heidelberg Cement. Bei dem börsennotierten Zementhersteller machen sich die Auswirkungen der Affäre jedoch bereits jetzt bemerkbar. Aufgrund der Angst, dass Merckle größere Aktienpakete auf den Markt werfen könnte, fielen am Montag die Aktien von Heidelberg Cement zeitweise um fast 20 Prozent.
Im Sucher: Adolf Merckle Seite 35

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2008)

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