Russland geht den Weg Chinas

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Russland orientiere sich inzwischen stärker an China als an der westlichen Marktwirtschaft. Für Investoren sei das ein Risiko, sagt Coface-Chefökonom Yves Zlotowski. Der Kreditversicherer hat sein Rating für Russland erneut gesenkt.

Wien/Paris. Der französische Kreditversicherer Coface hat seine Bewertung für Russland erneut gesenkt: auf die vorletzte Stufe, „C“. Zuvor wurde Russland sechs Monate lang mit „B-“ bewertet – wobei das Minus für einen negativen Ausblick steht. Wichtig zu beachten: Coface bewertet nicht etwa das Risiko, dass dem Staat das Geld ausgeht – wie es die großen US-Ratingagenturen tun (von denen Moody's Russland zuletzt ebenfalls heruntergestuft hat). Coface bewertet das Ausfallrisiko des Firmensektors, also die Fähigkeit der Unternehmen eines Landes, Zahlungen rechtzeitig zu leisten. Das System hat sieben Stufen: „A1“ bis „A4“ symbolisieren ein geringes Risiko, „B“, „C“ und „D“ ein erhöhtes.

Russland leide keineswegs nur unter den Sanktionen des Westens und den Folgen der Ukraine-Krise, sagt Coface-Chefökonom Yves Zlotowski im Gespräch mit der „Presse“: „Das hat lediglich Trends beschleunigt, die schon vorher da waren. Schon gegen Ende 2013 sind die Investitionen in Russland dramatisch zurückgegangen. Damals war das aber noch schwer zu erklären. Denn Westeuropa, Russlands wichtigster Handelspartner, stand noch gut da.“

Fehlende Reformen

Zlotowski sieht hinter der Zurückhaltung der Investoren ein Problem, das man auch in Europa kennt: verschleppte Reformen. Besonders was die Rechtssicherheit betreffe. „Das ist die große Schwäche Russlands. Der Schutz der Gerichte für Eigentum hat sich nicht verbessert. Und seit der Ukraine-Krise zeigt sich immer mehr, dass Russland nicht den Weg des Westens in Richtung einer offenen Marktwirtschaft geht – sondern eher den Weg Chinas einschlägt“, sagt Zlotowski.

Gleichzeitig würden sich andere aufstrebende Volkswirtschaften sehr wohl durch Reformen auszeichnen. „Ich sehe große Verbesserungen zum Beispiel in der Türkei.“ Aber die Kombination aus fehlenden Reformen und der Unsicherheit durch die Ukraine-Krise mache Russland zu schaffen. „Wir sehen ein Null-Wachstum. Es könnte sogar eine Rezession geben.“

Entscheidend sei das Verhalten der russischen Konsumenten. Anders als zum Beispiel Saudi-Arabien sei Russland nämlich keine reine Rohstoff-Ökonomie, auch wenn das oft so dargestellt werde. „Die exportierten Rohstoffe bringen zwar viel ausländische Währung ins Land. Aber der Binnenmarkt ist auch sehr wichtig. Firmen spielen in Russland eine wichtige soziale Rolle. Viele Städte leben praktisch nur von einem großen Unternehmen, das Arbeitsplätze, aber auch Wohnungen und Wohlfahrt garantiert.“

Hohe Kosten durch Gaskrieg

Dass Russland im Winter das Gas für Europa abdrehen könnte, bezweifelt der Coface-Chefökonom. „Länder wie Frankreich, Deutschland und Österreich haben ohnehin große Reserven angelegt. Aber die Kosten für die Russen wären zu groß, als dass sie überhaupt diesen Weg einschlagen würden.“ Genauso sei der makroökonomische Effekt der Sanktionen nicht so groß, wie man annehmen möchte. „Es gehen zum Beispiel nur drei Prozent der deutschen Exporte nach Russland. Da sind die psychologischen Auswirkungen schlimmer als die tatsächlichen.“

Entscheidend für Russland sei jetzt vielmehr, dass die inländischen Konsumenten nicht weiter verunsichert würden. Sollte das passieren, könnte die Wirtschaft des Landes massiv leiden – obwohl Moskau mit rund elf Prozent Staatsschulden aus europäischer Perspektive, wo die Schuldenkrise weiterhin ein massives Problem ist, eigentlich ausgezeichnet dasteht. (jil)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2014)

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