Steuergerechtigkeit in rotweißrot

Wiens Bürgermeister Häupl lukrierte mit Sale-and-Lease-Back-Geschäften Millionen, indem er eine Lücke im US-Steuersystem nutzte.
Wiens Bürgermeister Häupl lukrierte mit Sale-and-Lease-Back-Geschäften Millionen, indem er eine Lücke im US-Steuersystem nutzte.APA/HANS KLAUS TECHT
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Steuer-Schlupfloch Luxemburg? Was Juncker kann, das können Häupl, Faymann, Schelling, Pröll und Co. in Österreich schon lange. Ein Sittenbild.

Jean-Claude Juncker ist also in der Bredouille. Der EU-Kommissionschef soll früher als Luxemburger Finanzminister und Premier das „Steuersystem Luxemburg“ gezimmert haben. Großkonzerne wie Amazon, Ikea oder die Deutsche Bank haben mit Hilfe ihrer Niederlassungen im Großherzogtum Unsummen an Steuern gespart. Völlig legal selbstverständlich. Trotzdem ist die Empörung groß. Juncker habe andere Staaten um Steuereinnahmen geprellt, heißt es. Und schon gibt es Rücktrittsforderungen. Auch aus Österreich.

Dabei sollten die österreichischen Politiker beim Thema Steuersparen ganz still sein. Und die Rede ist jetzt nicht von Ex-Politikern wie dem früheren SPÖ-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und der früheren FPÖ-Vizekanzlerin Susanne Riess, die beide im Beirat der Signa-Holding des Immobilien-Tycoons René Benko sitzen. Die Signa bediente sich ebenfalls des Luxemburgischen Steuervermeidungs-Modells.

Still sollten auch die Wiener SPÖ und Bürgermeister Michael Häupl sein. In seiner Ära wickelte die Stadt Wien Cross-Border-Leasinggeschäfte ab. Das Kanalsystem und Straßenbahn-Garnituren wurden an US-Konzerne verkauft und sofort wieder zurückgemietet. Sale-and-lease-back-Geschäfte nennt man das. Dahinter steckt nichts anderes als ein Steuervermeidungsmodell. Die US-Milliardäre und Firmen nützten bei diesem Deal eine Lücke im US-amerikanischen Steuersystem – und Wien schnitt dabei ordentlich mit – es kassierte rund 100 Millionen Euro. Mit anderen Worten: Nicht genug, dass die Stadt immer tiefer in die Taschen der eigenen Bürger greift, zockte sie auch die US-Steuerbehörden ab. Alles legal, wenn auch hochriskant – wie sich später herausstellen sollte. Bundeskanzler Werner Faymann trug damals als Wiener Wohnbaustadtrat genauso die SPÖ-Steuerschlupfloch-Politik mit wie der frühere Gemeinderat Andreas Schieder, der später als Staatssekretär im Finanzministerium und nun als SP-Klubobmann den Steuer-Moralapostel mimt.

Während in Luxemburg Konzerne Steuern sparen, griff in Österreich Vater Staat völlig ungeniert in die Steuer-Trickkiste. Und mit ihm staatliche und teilstaatliche Unternehmen wie die ÖBB, der Verbund oder die OMV.

Ober-bauernschlau in Sachen Steuerumgehung agierte Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll. 2005 lagerte er die Beteiligung des Landes etwa am Energieversorger EVN, dem Flughafen Wien, der Uniqa-Versicherung und der Hypo-Landesbank in eine Landesholding aus, bediente sich dabei der Gruppenbesteuerung und zeigte mit diesem Konstrukt dem Finanzminister in Wien eine lange Nase. Soviel zum Thema Solidarität zwischen Bund und Ländern. Im St. Pöltner Landtag stimmten auch die Grünen für die Steuer-Minimierung. Mittlerweile hat der Bund das Gesetz geändert und das innerstaatliche Loch im Steuersystem geschlossen.


Seit knapp zwei Monaten bekleidet Hans Jörg Schelling das Amt des Finanzministers. Ein Goldgriff des VP-Obmanns Reinhold Mitterlehner, wie viele Kommentatoren meinen. Mit Schelling zog endlich ein Mann aus der Wirtschaft in der Johannesgasse ein. Mit seinem Namen verbindet man vor allem den Aufstieg der Möbel-Kette Lutz. Hinter der Erfolgsstory Lutz steckt allerdings auch eine interessante Steuer-Story. Unter Schellings Führung gründete der Möbel-Riese einst eine Gesellschaft im Steuerparadies Malta. Die dortige XXXLutz Marken GmbH mit kaum mehr als einer Handvoll Mitarbeitern verwaltet Lizenzen im Wert von 340 Millionen Euro. Durch die Konstruktion erspart sich der Möbelriese in Österreich richtig viel an Steuern.

Als im Februar der Nationalrat das neue Abgabenänderungsgesetz verabschiedete, glaubten viele, dass damit auch Malta-Connections à la Lutz obsolet würden. „Zins- und Lizenzzahlungen an Konzerngesellschaften in Niedrigsteuerländern mit einer nominellen oder effektiven Steuerbelastung von weniger als zehn Prozent sind bei der auszahlenden österreichischen Gesellschaft nicht länger steuerlich abzugsfähig“, heißt es im Gesetzestext. Das Problem: Malta besteuert die Lizenzeinkünfte offiziell mit 35 Prozent, ermöglicht es aber über ein Anrechnungssystem, dass die echte Steuerlast nur bei fünf Prozent liegt. Namhafte Steuerberater gehen deshalb davon aus, dass die unter Schelling eingefädelte Steuer-Konstruktion auch weiterhin funktioniert und das Abgabenänderungsgesetz ins Leere schlägt. Aber wer weiß: Vielleicht schließt Finanzminister Schelling demnächst die Steuerlücke, die der frühere Lutz-Konzernchef Schelling – selbstverständlich völlig legal – geöffnet hat?

Die Steuermoral der österreichischen Finanzminister ist ohnehin ein eigenes Kapital. Hannes Androsch, in den 1970er-Jahren SPÖ-Finanzminister unter Bruno Kreisky, wurde 1991 rechtskräftig wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Und Karl-Heinz Grasser, einst Finanz-Sonnyboy der Regierung Schüssel, rechtfertigte sich in seinem Finanzstrafverfahren, dass er doch „steuerlich so ungebildet“ sei.

Aber Schelling in einen Topf mit Androsch und Grasser zu werfen, ginge zu weit. Schellings Wandlung vom Steuer-Saulus zum Finanz-Paulus erinnert vielmehr an einen anderen – zurecht in Vergessenheit geratenen – Finanzminister: Viktor Klima. Bevor Klima 1992 in Franz Vranitzkys Regierungsteam wechselte und diesen später als Kanzler beerbte, saß er im Vorstand der OMV, die sich kaum eine Steueroase entgehen ließ. Isle of Man, Virgin Islands, Cayman, Jersey, Gibraltar, Malta. Der Ölkonzern war dabei. Völlig legal selbstverständlich.

Und Jean-Claude Juncker? Ihn allein als Steuer-Lückenbüßer hinzustellen, ist an Verlogenheit und Scheinheiligkeit kaum zu überbieten. Vor allem Politikerkollegen in Österreich sollten lieber still sein. Mucksmäuschenstill.

Fakten

Stadt Wien. Die mit absoluter Mehrheit regierende SPÖ führte Cross-Border-Leasinggeschäfte durch. Während der US-Finanzminister durch die Finger schaute, teilten sich das rote Wien und US-Finanzinvestoren, Milliardäre und Konzerne den Steuervorteil.

Land NÖ. Das ÖVP-regierte Land lagerte 2005 seine Beteiligungen an EVN, Hypo, Flughafen und Uniqa an die Landesholding aus. Zweck der Übung: Steuerminimierung.

Staatsunternehmen. Steuervermeidungsmodelle betrieben viele staatliche und teilstaatliche Unternehmen. So unter anderem ÖBB, Verbund oder OMV. Die OMV nützte bereits 1989 die Vorzüge der Steueroase Isle of Man. Damals war Viktor Klima Topmanager beim Ölkonzern.

Finanzminister. Klima wurde später SPÖ-Finanzminister und Kanzler. Auch ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling hat Offshore-Erfahrung. Unter seiner Führung nutzte die Möbelkette Lutz die Steuervorteile auf der Insel Malta.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.11.2014)

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