Ungarn: Orbán verpasst Banken ein blaues Auge

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Nächstes Jahr können hunderttausende Ungarn ihre Fremdwährungskredite automatisch in Forint umtauschen. Die Banken befürchteten im Vorfeld Zusatzkosten in Milliardenhöhe. Doch diesmal macht die Regierung Zugeständnisse.

Wien/Budapest. In keinem anderen Land haben Österreichs Banken so viele Probleme wie in Ungarn. Nun verlangt Premierminister Viktor Orbán, dass in seinem Land die umstrittenen Fremdwährungskredite für immer der Vergangenheit angehören. Dazu ist ein Sondergesetz geplant, wonach im nächsten Jahr alle ungarischen Bankkunden ihre Darlehen in die Landeswährung Forint umtauschen können. Die Banken befürchteten im Vorfeld Schlimmes. Sie hatten Angst, dass sie verpflichtet werden, die Fremdwährungskredite zu einem für die Kunden besonders günstigen Kurs zu konvertieren.

Eine solche Maßnahme hätte ungarischen Medienberichten zufolge den Geldhäusern Zusatzkosten in Milliardenhöhe bescheren können. Doch nun steht fest, dass die Institute diesmal mit einem blauen Auge davonkommen.

Denn die ungarische Nationalbank, der Bankenverband und die Regierung einigten sich nach langen Verhandlungen darauf, dass der gesetzliche Umtausch zum derzeitigen Marktkurs erfolgen wird. Alle früheren Belastungen, wie die gesetzlich angeordnete Rückzahlung von angeblich überhöhten Wechselkursen, bleiben allerdings bestehen. Durch die jetzige Regelung „entstehen uns keine weiteren Belastungen“, sagte ein Sprecher der Raiffeisen Bank International der „Presse“. Allerdings könnten die den Fremdwährungskrediten zugrunde liegenden Swaps aufgelöst werden. Doch auch das werde höchstens einen „niedrigen einstelligen Millionenbetrag“ kosten, so der Raiffeisen-Sprecher. Ähnliches ist von anderen österreichischen Banken zu hören.

Geheimgespräche mit Orbán

Dem Vernehmen nach gab es zuletzt Geheimgespräche zwischen den Chefs der Banken und Premierminister Orbán. Angeblich sollen einige Institute gedroht haben, das Land zu verlassen, falls sie mit weiteren Belastungen konfrontiert werden. Die Bawag und die Bayerische Landesbank (BayernLB) haben sich bereits aus Ungarn zurückgezogen. In keinem anderen osteuropäischen Land haben die Banken so freizügig Fremdwährungskredite vergeben wie in Ungarn. Im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise verschlimmerte sich für die Kunden die Lage. Orbán erklärte, die Banken seien „gerissen wie Fledermäuse“. Regierungsvertreter versprachen, man werde den Bürgern zurückgeben, was ihnen die „unanständigen“ Institute genommen haben. Die Banken müssten zu mehr Fairness gezwungen werden.

Erst im Sommer hatte die Regierung ein Gesetz beschlossen, wonach die Geldhäuser automatisch überhöhte Wechselkurse bei Fremdwährungskrediten zurückzahlen müssen. Anlass dafür war ein Urteil des ungarischen Höchstgerichts, wonach die Banken bei Fremdwährungskrediten zu Unrecht für die Kunden nachteilige Wechselkurse verrechnet haben.

Ähnlich wie in Österreich müsste in Ungarn jeder Konsument einzeln auf die Rückerstattung klagen. Doch Orbán regelte per Gesetz, dass die Institute automatisch Schadenersatz leisten müssen. Dies kostet Ungarns Banken bis zu 3,2 Milliarden Euro. Für die Kunden verringert sich damit die Schuldenlast um 20 bis 25 Prozent. Auch Österreichs Banken waren von dieser Aktion betroffen. Die Situation in Ungarn ist auch ein Grund, warum Raiffeisen und die Erste Group in diesem Jahr Verlust machen werden. Raiffeisen geht davon aus, rund 240 Millionen Euro an die ungarischen Kunden zurückzahlen zu müssen. Bei der Erste Group geht es um bis zu 360 Millionen Euro.

Bereits in der Vergangenheit hatte Orbán die Banken in mehreren Schritten zur Kasse gebeten. Die Erste Bank hat in den vergangenen Jahren in Ungarn 746 Millionen Euro verloren. In diesem Betrag ist bereits die Belastung für das erste Halbjahr 2014 enthalten. Bei der Raiffeisen Bank International summiert sich das Minus auf 690 Millionen Euro.

Für den im nächsten Jahr bevorstehenden Umtausch der Fremdwährungskredite traf die Budapester Nationalbank bereits Sondermaßnahmen. Damit es zu keinen Währungsturbulenzen kommt, sollen Devisenreserven in Milliardenhöhe eingesetzt werden.

Auf einen Blick

In Ungarn werden Fremdwährungskredite bald der Vergangenheit angehören. Nächstes Jahr sollen die Bankkunden ihre Darlehen in die Landeswährung, Forint, konvertieren können. Die Banken haben hier zunächst weitere Kosten befürchtet. Doch nun steht fest, dass der Umtausch zum Marktkurs erfolgen wird. Frühere Belastungen der Banken bleiben aber bestehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2014)

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