Weihnachten feiert nur der Onlinehandel

Workers pack orders at the Amazon logistics center in Brieselang
Workers pack orders at the Amazon logistics center in Brieselang(c) REUTERS (HANNIBAL HANSCHKE)
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Der stationäre Handel stellt sich auf ein schwaches Weihnachtsgeschäft ein und rüstet sich schon für den verfrühten Ausverkauf Anfang Dezember. Der Onlinehandel hingegen freut sich auf satte Zuwächse um die zehn Prozent.

Wien. Es ist, als handle es sich um zwei verschiedene Welten. Wenn der Handel Richtung Weihnachtsgeschäft blickt, sehen die Prognosen der Onlinehändler ganz anders aus als die der Händler in den Einkaufsstraßen. „Das Wetter macht uns keine Freude. Da kauft niemand eine Winterjacke oder einen Winterschuh“, sagt Stefan Mayer-Heinisch, Chef des Handelsverbandes. „Dazu kommt, dass die Konsumentenstimmung wegen diverser Steuererhöhungen ins Negative gekippt ist.“ Dementsprechend verhalten ist seine Prognose für das Weihnachtsgeschäft: „Ich würde mir wünschen, dass wir real ein Plus schaffen, aber ich bin mir nicht sicher.“

Letztes Jahr ging sich für den Handel zu Weihnachten eine glatte Null aus. Und darüber war man in der Branche eigentlich schon erleichtert. Auch 2014 bot bisher keinen Grund zur Freude: „Das Frühjahr war schlecht, der Herbst ist es auch“, sagt Mayer-Heinisch.

Im Onlinehandel gehen die Uhren anders. Die Unito-Gruppe (Quelle, Universal, Otto), Österreichs größter Onlinehändler, erwartet sich im Weihnachtsgeschäft heuer ein Plus von zehn Prozent. Auch das bisherige Jahr ist alles andere als schlecht gelaufen: Im laufenden Geschäftsjahr (März bis Oktober) ist der Umsatz um 7,3 Prozent gewachsen. Wenn man das Onlinegeschäft isoliert betrachtet, sind es sogar 17,7 Prozent Wachstum (auf 161,8 Mio. Euro).

Die ehemaligen Kataloghändler mit dem altbackenen Image machen mittlerweile über 90 Prozent ihres Umsatzes online, der Katalog ist nur noch ein historisches Relikt, das beibehalten wird, um keine betagten Stammkunden zu vergraulen. In den Ausbau des E-Commerce investiert die Gruppe allein heuer 15 Mio. Euro. Denn das Onlinegeschäft ändert sich laufend. Bestellt wird schon heute überwiegend mit dem Smartphone. Bis 2017 rechnet Unito damit, dass Bestellungen über mobile Endgeräte über 80 Prozent des Umsatzes generieren werden.

Wie stark der Eingriff des Onlinehandels in das Geschäft der traditionellen Händler ist, zeigt ein Blick ins Ausland. Schaut man sich die Entwicklung des US-Weihnachtsgeschäfts 2010 bis 2013 an, so hat sich die Kundenfrequenz in den Geschäften (laut Shopper-Track des „Wall Street Journal“) von 34 auf 18Mrd. Euro nahezu halbiert. In Deutschland werden die Verkaufsflächen laut Prognosen des EHI bis 2020 etwa im Elektrohandel um 63Prozent, im Modehandel um 16Prozent und im Möbelhandel um sieben Prozent schrumpfen.

In Österreich, das in Europa auf die Einwohnerzahl gerechnet die meiste Verkaufsfläche hat (und die geringste Flächenproduktivität), gingen 2013 die Verkaufsflächen erstmals zurück. Hingegen werden die Österreicher online und via Teleshopping heuer rund sieben Mrd. Euro ausgeben, berechnete die KMU-Forschung. Das sind bereits elf Prozent der Konsumausgaben im Einzelhandel.

Verfrühter Ausverkauf

Die Zeiten, in denen der Ausverkauf erst Ende Jänner startete, sind vorbei. „Viele Händler werden in diesem Jahr schon Anfang Dezember mit dem Ausverkauf beginnen“, sagt Anton Cech, Center Manager der Shopping City Süd. Voriges Jahr hätten die meisten „erst“ in der dritten Dezemberwoche mit Nachlässen begonnen. „Ein klares Zeichen, dass die Händler Angst davor haben, dass sie ihre Lagerbestände nicht leer bekommen“, sagt Handelsverband-Chef Mayer-Heinisch.

Der Onlinehandel hat diese Sorgen nicht. Unito-Chef Harald Gutschi rechnet damit, dass der Umsatzrekord des vergangenen Geschäftsjahrs, 2013/14 (die gesamte Otto Group setzte in Österreich 390 Mio. Euro um), heuer übertroffen wird. Im Gegensatz zu Konkurrenten wie Zalando oder Amazon sei man auf profitables Wachstum ausgerichtet. Deshalb liefern Universal, Otto und Co. auch erst ab einem Bestellwert von 75 Euro ohne Versandkosten. „Wir sind nicht an den ganz Jungen interessiert, die gratis Versand und Retouren gewöhnt sind“, sagt Gutschi. Das Durchschnittsalter der Kunden liege bei 42 Jahren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2014)

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