Die Initiative „Rettet unser Schweizer Gold“ kann auf einen Sieg hoffen. Sie will Reserven heimholen und die Notenbank zum Halten von Gold zwingen. Geldpolitiker und Wirtschaft zittern, Spekulanten reiben sich die Hände.
Wien. Wenn die Schweizer zu den Urnen schreiten, hält das Ausland immer öfter den Atem an. Dieses Mal geht es aber nicht um Minarette oder einen Stopp des Zuzugs von EU-Ausländern, also Themen, die nur bei den europäischen Nachbarn hohe Wellen schlagen. Am 30. November könnten die Eidgenossen ihren nationalen Eigensinn durch ein Votum unter Beweis stellen, durch das ein Beben auf den Finanzmärkten in aller Welt droht.
Die Initiative „Rettet unser Schweizer Gold“ will die Entscheidungsfreiheit der Notenbank SNB massiv beschneiden und ihr ein starres Gold-Regime aufzwingen. Sie fordert, alle im Ausland lagernden Reserven des Edelmetalls heim in die Alpen zu holen und in den Kellern der Zentralbank zu bunkern. Vor allem aber sollen die Hüter des Franken künftig gezwungen sein, mindestens ein Fünftel ihrer Aktiva in Gold zu halten. Und ein Verkauf auch nur einer Unze wäre ihnen fortan verwehrt.
Eine Aussicht, die Schweizer Notenbanker schaudern lässt und bei Experten Kopfschütteln verursacht. Doch sie hat gute Aussichten auf Erfolg: Laut einer aktuellen Umfrage wollen 44 Prozent der Bürger für die Initiative eines Politikers der rechtspopulistischen SVP stimmen. Nur 39 Prozent sagen Nein. Die Argumente der Aktivisten sind vor allem emotionaler Natur: Gold sei immer noch das „Fundament jeder stabilen Währung“ und der einzig sichere „Notvorrat“. Viel zu viel von diesem Schatz habe die SNB seit der Jahrtausendwende schon verkauft, noch dazu mit Verlusten.
Kaufauftrag: 1800 Tonnen
Was aber wären die Folgen, wenn die Initiative Erfolg hätte? Das geringere Problem wäre der Rücktransport: 20 Prozent der 1040 Tonnen eidgenössischen Goldes lagern bei der Bank of England, 30 Prozent in Kanada. Viel gravierender ist die Fünftel-Forderung: Innerhalb von fünf Jahren müsste die SNB ihren Goldanteil in der Bilanz fast verdreifachen und 1800 Tonnen aufkaufen. Experten schätzen: Schon ein Ja würde den Preis – zurzeit rund 1185 Dollar pro Feinunze – nach drei Jahren Baisse um zehn bis 15 Prozent nach oben treiben. Und das wäre erst der Anfang.
Das zu erwartende Szenario: Investoren, die nach Sicherheit dürsten, suchen noch mehr Zuflucht beim Franken – erst recht, wenn auf den Finanzmärkten eine Krise ausbricht. Auf jeden Fall konterkariert der Run die SNB-Bemühungen, den Franken im Interesse der Exporteure nicht zu stark werden zu lassen. Zur Stabilisierung des Euro-Franken-Kurses erhöhte sie schon in den letzten Jahren ihre Geldmenge um 400 Mrd. Franken. Wenn sie das nun neuerlich macht, muss sie zugleich für rund 70 Mrd. Franken Gold kaufen. In einer Krisensituation, in der der Goldpreis ohnehin stark steigt, treibt das die Blasenbildung weiter an.
Was aber, wenn sich die Situation in der Folge wieder beruhigt? In diesem Fall muss die SNB Geld aus dem Markt nehmen und die Bilanzsumme kürzen, um Inflation zu vermeiden. Dazu muss sie Aktiva verkaufen – das Gold aber ist tabu. Die Folge des Auf und Ab: Die Reserven würden bald nur noch aus Gold bestehen – ein Klumpenrisiko mit einer der volatilsten Anlageformen, die in ihrem Wert alles andere als sicher ist.
Wetten gegen Notenbank
So zittern die Schweizer Unternehmer vor einem zu starken Franken und die Notenbanker vor einer geldpolitischen Ohnmacht. Ihre helle Freude mit einem Ja hätten aber die Spekulanten: Es würde ihnen erlauben, ohne Mühe gegen die wehrlose Schweiz zu wetten. So könnten große Fonds auch kurz einmal den Goldpreis drücken. Das senkt den Wert in der SNB-Bilanz. Sie muss also Gold nachkaufen, um den 20-Prozent-Anteil zu halten. Dadurch steigt wieder zwangsläufig der Goldpreis – was schlauen Investoren Anlass zu schönsten Spekulationsgewinnen gibt.
All das ergibt viele Gründe für ein Nein. Aber der Glanz des Goldes blendet – und blendet Sachargumente aus, fürchtet der Ökonom Sergio Rossi: Das legendäre Edelmetall löse bei vielen immer noch „unüberlegte und irrationale Reaktionen aus“. (gau)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2014)