Eigenkapital wie von Zauberhand

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Banken dürfen ihre Kapitalquoten durch kreative Risikogewichtung ihrer Aktiva schönrechnen. Aber nicht mehr lange: Die EZB will mit dieser Praxis nun aufräumen.

Frankfurt/Bloomberg/Red. Der Bankenstresstest der EZB war zwar insgesamt erfolgreich, allerdings scheinen die „durchgekommenen“ Banken nicht immer ganz so toll dazustehen, wie ihre Kapitalquoten glauben machen: Diese werden nämlich an „risikogewichteten“ Aktiva gemessen – und bei der Risikogewichtung hatten die Institute sehr großen Spielraum und konnten auf eigene Bewertungsmethoden zurückgreifen.

Die EZB, die die Bankbilanzen der systemrelevanten Institute parallel zum Stresstest genau durchleuchtet hat, plant nun, der kreativen Aktiva-Bewertung einen Riegel vorzuschieben. EZB-Direktorin Sabine Lautenschlager kündigte gestern an, die Euro-Notenbank werde sich die Risikogewichtung der Bankaktiva in den nächsten zwei bis drei Jahren „sehr genau anschauen“ und überprüfen, ob die Banken ihre Risken auch richtig ermitteln. Das könnte dazu führen, dass einige Banken, die den Stresstest bestanden haben, zusätzlich Kapital auffüllen müssen.

Luftnummern in den Bilanzen

Die „harte“ Eigenkapitalquote sagt für sich allein sehr wenig, wenn die andere Seite der Gleichung, nämlich die Aktiva, per Risikogewichtung relativ stark verändert werden können. Das kann durchaus recht ordentliche Ausmaße annehmen. Die Deutsche Bank etwa hat ihre risikogewichteten Aktiva im letzten Quartal 2012, also rechtzeitig vor dem Stresstest, um 55 Mrd. Euro gesenkt. Die Hälfte davon allerdings nur auf dem Papier: durch die Anwendung eigener Risikomodelle und Verfahren. Die Eigenkapitalquote stieg durch diesen Kniff im betreffenden Quartal deutlich an, obwohl gleichzeitig der größte Quartalsverlust seit der Finanzkrise 2008 am Eigenkapital knabberte.

Ein ähnliches Kunststück war auch der österreichischen Raiffeisen Bank International (RBI) gelungen. Die Bank konnte eine von der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde EBA im Jahr 2011 diagnostizierte Kapitallücke von 2,13 Mrd. Euro im folgenden Jahr vollständig schließen, ohne einen einzigen Euro an frischem Kapital aufzunehmen. Den größten Beitrag zu dieser völlig legalen finanztechnischen Zirkusnummer lieferte eine Kapitalbereinigung, deren Kern die Umstellung der Bewertung von Osteuropatöchtern von Standardbewertungen auf bankinterne Modelle war.

Die EZB hat nun angekündigt, solche Luftnummern künftig nicht mehr zuzulassen: Den Banken soll es nicht mehr gestattet sein, Kapitallücken, die etwa im Rahmen des jüngsten Stresstests aufgetreten sind, mittels Einsatzes anderer Bewertungsmodelle zu „schließen“.

Bisher war der EZB ein strengeres Vorgehen bei den Bewertungen nicht möglich, weil die Bankenaufsicht bei den nationalen Aufsichtsbehörden (in Österreich der FMA) lag. Nun ist aber zumindest für die systemrelevanten Banken die EZB zuständig – und hat damit Durchgriffsrecht. Denn die internen Bewertungsmodelle der Banken müssen von der zuständigen Aufsichtsbehörde genehmigt werden.

Bis zu 20Prozent Differenz

Nicolas Veron vom Forschungsinstitut Bruegel in Brüssel sagte der Nachrichtenagentur Bloomberg, die EZB werde bei den Modellen nun „aggressiv vorpreschen“. Davon hänge schließlich die Glaubwürdigkeit der EU-Notenbank als Aufseher ab. Die Wahlmöglichkeiten der Banken bei der Risikobewertung sollen aber auch außerhalb der Eurozone eingeschränkt werden. Daran arbeitet der sogenannte Baseler Ausschuss, der auch einen Einblick in die Spielräume gibt: Nach Studien, die der Ausschuss in Asien, Amerika und Europa durchgeführt hat, können Unterschiede in der Risikoeinschätzung zu Differenzen von bis zu 20Prozent in den Kapitalquoten führen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2014)

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