Analyse: Wie wir zum Geldausgeben gezwungen werden

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Sparen war gestern – jetzt muss konsumiert werden. Von Negativzinsen bis zur Abschaffung des Bargelds: Die Ideen zur Belebung der Wirtschaft werden immer bizarrer.

Wien/München. Money, Money, Money: Der ehemalige Abba-Sänger Björn Ulvaeus und der US-Ökonom Kenneth Rogoff haben ein gemeinsames Interesse – das liebe Geld. Genauer gesagt: das Bargeld. Sie mögen es nämlich nicht. Ulvaeus steht schon seit geraumer Zeit an der Spitze der schwedischen Bargeldfeinde. Auf das Thema ist er gekommen, nachdem sein Sohn ausgeraubt worden ist. Ist kein Bargeld da, könne man auch nichts klauen – so die Logik des Musikers.

Der Ökonom Rogoff will das Bargeld auch abschaffen. Aber aus anderen Gründen: „Die Zentralbanken könnten auf diese Weise leichter Negativzinsen durchsetzen, um so die Wirtschaft anzukurbeln“, sagte der Harvard-Ökonom jüngst auf einer Veranstaltung des Ifo-Instituts in München.

Die Europäische Zentralbank EZB verlangt seit diesen Sommer einen Strafzins auf Geld, das die Banken bei der Notenbank lagern, statt es als Basis für neue Kredite an Unternehmen und Privatpersonen zu verwenden. Die EZB will so verhindern, dass das billige Geld aus der Zentralbank in den Geschäftsbanken stecken bleibt, statt in den Wirtschaftskreislauf zu gelangen. Ob das funktionieren kann, ist unklar. Inzwischen werden die Negativzinsen aber von den Banken an die Kunden weitergegeben.

Am Mittwoch berichtete das „Handelsblatt“, dass die Commerzbank künftig selbst Strafzinsen auf Einlagen von „einzelnen großen Firmenkunden mit hohen Guthaben sowie Großkonzernen und institutionellen Anlegern“ einheben will – wobei die Bank das Ganze euphemistisch „Guthabengebühr“ nennt. Es ist die Umkehrung dessen, was das Bankgeschäft einmal war. Statt für eingezahltes Geld Zinsen zu kassieren, sollen Kunden dafür bezahlen. Die österreichischen Institute wollen von Negativzinsen bisher nichts wissen – aber die kleine deutsche Skatbank verlangt inzwischen auch von Privatkunden mit einem Guthaben von mehr als 500.000 Euro Strafzinsen.

Warnung der Bundesbank

Die Sparer hatten es freilich schon vor dieser neuen Attacke nicht leicht. Denn real (also nach Abzug von Steuern und Inflation) gibt es längst negative Zinsen. Wer sein Geld spart, verliert Kaufkraft. Aber diese Form der Geldentwertung scheint den Zentralbanken, die sich in einem globalen Abwertungswettlauf befinden, inzwischen zu unauffällig zu sein. Hier setzt auch Rogoff mit seiner Vision einer „bargeldlosen Gesellschaft“ an.

Denn sollten alle Banken einmal Strafzinsen verlangen, bliebe den Menschen noch immer die Hortung von Bargeld. „Dessen Beseitigung wäre eine sehr einfache und elegante Lösung für dieses Problem“, so Rogoff. Er will den Sparern den letzten Ausweg verstellen. So sollen die Menschen zum Konsum und zum Geldausgeben gezwungen werden – damit die Wirtschaft wieder in Schwung kommt.

Ob das funktionieren kann, ist höchst umstritten. Kann derart erzwungener Konsum überhaupt nachhaltig sein? Die Deutsche Bundesbank warnt, dass dies die „Sparkultur“ gefährden könne. Sicher ist nur, dass weniger Bargeld auch mehr Kontrolle über die Menschen und ihr Handeln bedeutet. Wenn jede Zahlung elektronisch abgewickelt wird, dann sind sie auch alle nachvollziehbar – für Steuerbehörden, Polizei und Geheimdienste. Das finden diese Behörden natürlich toll: Der Polizeichef der schwedischen Stadt Stockholm bezeichnete laut „FAZ“ das Bargeld jüngst gar als „Blut in den Adern der Kriminalität“.
Aber in Ländern wie Deutschland und Österreich herrscht zu Recht Skepsis ob des Kriegs gegen das Bargeld. In ganz Europa sind laut EZB 16 Milliarden Eurogeldscheine mit einem Gesamtwert von rund einer Billion (1000 Milliarden) Euro im Umlauf – und das wird sich so schnell auch nicht ändern. Das eigentliche Problem ist, dass die Menschen dem schwachen Wirtschaftswachstum nicht trauen und deswegen den Konsum drosseln und das Risiko minimieren.

Eine normale Reaktion nach dem Platzen einer Blase, die durch allzu billiges Geld und zu viele Kredite ausgelöst wurde. Die Sparer von heute bilden Rücklagen für den Konsum von morgen. Damit es irgendwann wieder Wachstum geben kann – vielleicht sogar freiwillig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2014)

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